Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0003" n="3"/><lb/> die Veraͤnderung an ihm, daß seine Empfindungen lebhafter zu werden anfiengen, denn er wurde beredter und begleitete die frohesten Religionsgefuͤhle gewoͤhnlich mit Thraͤnen. Einige Tage darauf war mit ihm eine noch auffallendere Veraͤnderung vorgegangen. Er war munter, lebhaft und sprach mit groͤßern Zusammenhang und staͤrkerer Stimme. Er empfieng mich und andere, als wenn wir ihn das erstemal besucht haͤtten. Zugleich erklaͤrte er mir, daß er nicht wisse, was mit ihm vorgegangen sey, man habe ihm gesagt, daß er mehrere Wochen krank gewesen, aber es sey ihm, als wenn er nur einen Tag laͤnger gelebt haͤtte. Selbst von den oͤftern schmerzhaften Operationen des Wundarztes wußte er sich nur an eine einzige ganz dunkel zu erinnern, die, nach seinem Ausdruck, wie im Traum geschehen und von ihm nicht sonderlich empfunden sey. Zum Behuf dieser Operation war er ausser Bette gebracht worden. Er konnte sich weder an meine vorigen Besuche noch Reden erinnern. Jch stand voller Verwunderung da, that allerlei Fragen an ihn, den vorhergehenden Zustand betreffend, und er konnte mir keine einzige beantworten, so gern er's auch gethan haͤtte. Kurz! es war, als wenn er aus dem Lethe getrunken haͤtte. Ueber die Verwandelung, die mit ihm vorgegangen war, gab er mir selbst folgende Auskunft: daß er sich am letzten Tage <choice><corr>von</corr><sic>vor</sic></choice> seinem Krankenlager auf ein gehoͤrtes Klingeln an der Thuͤr mit großen Un-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
die Veraͤnderung an ihm, daß seine Empfindungen lebhafter zu werden anfiengen, denn er wurde beredter und begleitete die frohesten Religionsgefuͤhle gewoͤhnlich mit Thraͤnen. Einige Tage darauf war mit ihm eine noch auffallendere Veraͤnderung vorgegangen. Er war munter, lebhaft und sprach mit groͤßern Zusammenhang und staͤrkerer Stimme. Er empfieng mich und andere, als wenn wir ihn das erstemal besucht haͤtten. Zugleich erklaͤrte er mir, daß er nicht wisse, was mit ihm vorgegangen sey, man habe ihm gesagt, daß er mehrere Wochen krank gewesen, aber es sey ihm, als wenn er nur einen Tag laͤnger gelebt haͤtte. Selbst von den oͤftern schmerzhaften Operationen des Wundarztes wußte er sich nur an eine einzige ganz dunkel zu erinnern, die, nach seinem Ausdruck, wie im Traum geschehen und von ihm nicht sonderlich empfunden sey. Zum Behuf dieser Operation war er ausser Bette gebracht worden. Er konnte sich weder an meine vorigen Besuche noch Reden erinnern. Jch stand voller Verwunderung da, that allerlei Fragen an ihn, den vorhergehenden Zustand betreffend, und er konnte mir keine einzige beantworten, so gern er's auch gethan haͤtte. Kurz! es war, als wenn er aus dem Lethe getrunken haͤtte. Ueber die Verwandelung, die mit ihm vorgegangen war, gab er mir selbst folgende Auskunft: daß er sich am letzten Tage von seinem Krankenlager auf ein gehoͤrtes Klingeln an der Thuͤr mit großen Un-
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