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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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glauben. Jede Religion, oder eigentlicher zu reden, das Ansehn jeder Religion, gründet sich nach der Meinung der größern Menge auf den Glauben an wundervolle Begebenheiten, und durch diesen Glauben, eben weil er von jeher der Glaube der größern Menge war, sind unter den Menschen die wichtigsten Revoluzionen bewürkt worden, welche die scharfsinnigste Philosophie und weiseste Politik, verbunden mit der unumschränktesten Gewalt nie zu Stande gebracht haben würde -- und welche wichtige Veränderungen wird dieser Wunderglaube nicht noch in Zukunft hervorbringen können! -- Doch hievon wollte ich nicht reden. Meine Absicht geht dießmal nur vornehmlich dahin, einige Gedanken über die Neigung des menschlichen Geistes zum Wunderbaren in psychologischer Rücksicht aufzusetzen, und ihre Ursachen, und Aeusserungen zu beleuchten.

Weil der Glaube an Wunderwerke sich allemal auf den Glauben an ein unsichtbares, oder mehrere unsichtbare Wesen, und deren besondern Einfluß auf die Begebenheiten der Welt gründet; so will ich hier nur noch dieß Wenige vorausschicken.

Wir sind durch die tägliche Erfahrung so unendlich oft belehrt worden, daß eine jedwede Würkung eine vorhergegangene Ursach zum Grunde haben muß, daß auch der gemeinste Verstand, gleichsam durch eine mechanische Verknüpfung seiner Vorstellungen von Ursach und Würkung, gezwungen


glauben. Jede Religion, oder eigentlicher zu reden, das Ansehn jeder Religion, gruͤndet sich nach der Meinung der groͤßern Menge auf den Glauben an wundervolle Begebenheiten, und durch diesen Glauben, eben weil er von jeher der Glaube der groͤßern Menge war, sind unter den Menschen die wichtigsten Revoluzionen bewuͤrkt worden, welche die scharfsinnigste Philosophie und weiseste Politik, verbunden mit der unumschraͤnktesten Gewalt nie zu Stande gebracht haben wuͤrde — und welche wichtige Veraͤnderungen wird dieser Wunderglaube nicht noch in Zukunft hervorbringen koͤnnen! — Doch hievon wollte ich nicht reden. Meine Absicht geht dießmal nur vornehmlich dahin, einige Gedanken uͤber die Neigung des menschlichen Geistes zum Wunderbaren in psychologischer Ruͤcksicht aufzusetzen, und ihre Ursachen, und Aeusserungen zu beleuchten.

Weil der Glaube an Wunderwerke sich allemal auf den Glauben an ein unsichtbares, oder mehrere unsichtbare Wesen, und deren besondern Einfluß auf die Begebenheiten der Welt gruͤndet; so will ich hier nur noch dieß Wenige vorausschicken.

Wir sind durch die taͤgliche Erfahrung so unendlich oft belehrt worden, daß eine jedwede Wuͤrkung eine vorhergegangene Ursach zum Grunde haben muß, daß auch der gemeinste Verstand, gleichsam durch eine mechanische Verknuͤpfung seiner Vorstellungen von Ursach und Wuͤrkung, gezwungen

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[82/0082] glauben. Jede Religion, oder eigentlicher zu reden, das Ansehn jeder Religion, gruͤndet sich nach der Meinung der groͤßern Menge auf den Glauben an wundervolle Begebenheiten, und durch diesen Glauben, eben weil er von jeher der Glaube der groͤßern Menge war, sind unter den Menschen die wichtigsten Revoluzionen bewuͤrkt worden, welche die scharfsinnigste Philosophie und weiseste Politik, verbunden mit der unumschraͤnktesten Gewalt nie zu Stande gebracht haben wuͤrde — und welche wichtige Veraͤnderungen wird dieser Wunderglaube nicht noch in Zukunft hervorbringen koͤnnen! — Doch hievon wollte ich nicht reden. Meine Absicht geht dießmal nur vornehmlich dahin, einige Gedanken uͤber die Neigung des menschlichen Geistes zum Wunderbaren in psychologischer Ruͤcksicht aufzusetzen, und ihre Ursachen, und Aeusserungen zu beleuchten. Weil der Glaube an Wunderwerke sich allemal auf den Glauben an ein unsichtbares, oder mehrere unsichtbare Wesen, und deren besondern Einfluß auf die Begebenheiten der Welt gruͤndet; so will ich hier nur noch dieß Wenige vorausschicken. Wir sind durch die taͤgliche Erfahrung so unendlich oft belehrt worden, daß eine jedwede Wuͤrkung eine vorhergegangene Ursach zum Grunde haben muß, daß auch der gemeinste Verstand, gleichsam durch eine mechanische Verknuͤpfung seiner Vorstellungen von Ursach und Wuͤrkung, gezwungen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/82>, abgerufen am 21.11.2024.