Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
Sie fingen an, an einem einsamen Orte eine Stube auszuzieren; bald hing sie voll Bilder erdichteter Scenen und Personen; und sammelten
Sie fingen an, an einem einsamen Orte eine Stube auszuzieren; bald hing sie voll Bilder erdichteter Scenen und Personen; und sammelten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0116" n="114"/><lb/> ein oͤdes Plaͤtzchen tief in der Wildniß unter den Wohnungen von Loͤwen, Baͤren, Tiegern, Schlangen, Woͤlfen und andern wilden Thieren auswaͤhlte; sich da aus vier Stangen ein Huͤttchen bauete; rohe wilde Kraͤuter zum Mittagsmal speißte; den ganzen Tag zum Himmel verseufzte und den Ruͤcken blutig schlug, oder in Dornen zur Abkuͤhlung des Fleisches sich waͤlzte; wie er bald diese, bald jene Versuchung vom Teufel ausstehen mußte, der ihm nun in seiner wahren anerkannten Gestalt, mit Hoͤrnern, einer Adlersnase, mit Schwanz, zottigen Geisenfuͤssen und Drachenfluͤgeln; ein andermal in der Maske eines schoͤnen, reitzenden Weibes, eines verstellten Seraphs, oder eines alten Mannes, und wer weiß, in wie vielen tollen durch Aberglauben erzeugten Gestalten noch erschien; dann in seinem Grabe schlief; die wildesten Thiere zu seinen Freunden hatte, und also aus Haß gegen das Menschengeschlecht, aus dem duͤmmsten Mißverstaͤndnisse und der unverschaͤmtesten Schwaͤrmerei, den Menschen auszog, auf allen Vieren kroch, und seine Vernunft zur Bestialitaͤt herabstimmte. — Genug, solche Geschichtchen, die sie fuͤr goͤttliche Wahrheiten hielten, waren ihnen die anzuͤglichsten — ihre Lieblingsgedanken und Beschaͤftigungen. </p> <p>Sie fingen an, an einem einsamen Orte eine Stube auszuzieren; bald hing sie voll Bilder erdichteter Scenen und Personen; und sammelten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0116]
ein oͤdes Plaͤtzchen tief in der Wildniß unter den Wohnungen von Loͤwen, Baͤren, Tiegern, Schlangen, Woͤlfen und andern wilden Thieren auswaͤhlte; sich da aus vier Stangen ein Huͤttchen bauete; rohe wilde Kraͤuter zum Mittagsmal speißte; den ganzen Tag zum Himmel verseufzte und den Ruͤcken blutig schlug, oder in Dornen zur Abkuͤhlung des Fleisches sich waͤlzte; wie er bald diese, bald jene Versuchung vom Teufel ausstehen mußte, der ihm nun in seiner wahren anerkannten Gestalt, mit Hoͤrnern, einer Adlersnase, mit Schwanz, zottigen Geisenfuͤssen und Drachenfluͤgeln; ein andermal in der Maske eines schoͤnen, reitzenden Weibes, eines verstellten Seraphs, oder eines alten Mannes, und wer weiß, in wie vielen tollen durch Aberglauben erzeugten Gestalten noch erschien; dann in seinem Grabe schlief; die wildesten Thiere zu seinen Freunden hatte, und also aus Haß gegen das Menschengeschlecht, aus dem duͤmmsten Mißverstaͤndnisse und der unverschaͤmtesten Schwaͤrmerei, den Menschen auszog, auf allen Vieren kroch, und seine Vernunft zur Bestialitaͤt herabstimmte. — Genug, solche Geschichtchen, die sie fuͤr goͤttliche Wahrheiten hielten, waren ihnen die anzuͤglichsten — ihre Lieblingsgedanken und Beschaͤftigungen.
Sie fingen an, an einem einsamen Orte eine Stube auszuzieren; bald hing sie voll Bilder erdichteter Scenen und Personen; und sammelten
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