Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.Jndes kann es nicht fehlen, daß ein Traum, der zufälliger Weise auf die Art eintrift, eine ganz besondre Wirkung auf die Seele thun muß. -- Die Grenzlinien zwischen Wahrheit und Traum scheinen wegzufallen; man glaubt, man träume noch wachend. Nichts ist daher natürlicher und wahrer gesagt, als die Worte der Frau des da sie die Nachricht von dem Tode seines Freundes hörte: "Jsts möglich, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat (der Herrn Pastor U.., hatte ihn ihr gleich beim Aufstehen erzählt) schon erfüllt zu sehen! -- wir träumen heute wohl alle -- und wollte Gott, wir träumten, so hätten wir unsren Freund noch! --" Herr Pastor U.. Diese Bemerkung, dieser Wunsch, wie tief sind beide im Jnnersten der Seele gegründet! -- Zuletzt bemerkt der noch, daß in dem Hause seines verstorbenen Freundes nicht einmal eine Veränderung des Anzuges bei mehr als hundert Personen anzutreffen war. -- Vermuthlich, weil die Personen größtentheils Bauern waren, die immer ziemlich gleich gekleidet zu seyn pflegen, und weil die übrigen, da sie sich zu einem solchen Besuch nicht werden angeputzt haben, wahrscheinlich ihre gewöhnlichen Kleider trugen, worin sie der Herr Pastor U.. sonst im Wachen gesehen hatte, und also auch kein Grund vorhanden war, daß er sie im Traume hätte anders Herr Pastor U.. Jndes kann es nicht fehlen, daß ein Traum, der zufaͤlliger Weise auf die Art eintrift, eine ganz besondre Wirkung auf die Seele thun muß. — Die Grenzlinien zwischen Wahrheit und Traum scheinen wegzufallen; man glaubt, man traͤume noch wachend. Nichts ist daher natuͤrlicher und wahrer gesagt, als die Worte der Frau des da sie die Nachricht von dem Tode seines Freundes hoͤrte: »Jsts moͤglich, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat (der Herrn Pastor U.., hatte ihn ihr gleich beim Aufstehen erzaͤhlt) schon erfuͤllt zu sehen! — wir traͤumen heute wohl alle — und wollte Gott, wir traͤumten, so haͤtten wir unsren Freund noch! —« Herr Pastor U.. Diese Bemerkung, dieser Wunsch, wie tief sind beide im Jnnersten der Seele gegruͤndet! — Zuletzt bemerkt der noch, daß in dem Hause seines verstorbenen Freundes nicht einmal eine Veraͤnderung des Anzuges bei mehr als hundert Personen anzutreffen war. — Vermuthlich, weil die Personen groͤßtentheils Bauern waren, die immer ziemlich gleich gekleidet zu seyn pflegen, und weil die uͤbrigen, da sie sich zu einem solchen Besuch nicht werden angeputzt haben, wahrscheinlich ihre gewoͤhnlichen Kleider trugen, worin sie der Herr Pastor U.. sonst im Wachen gesehen hatte, und also auch kein Grund vorhanden war, daß er sie im Traume haͤtte anders Herr Pastor U.. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0023" n="21"/><lb/> <p>Jndes kann es nicht fehlen, daß ein Traum, der zufaͤlliger Weise auf die Art eintrift, eine ganz besondre Wirkung auf die Seele thun muß. — Die Grenzlinien zwischen Wahrheit und Traum scheinen wegzufallen; man glaubt, man traͤume noch wachend. </p> <p>Nichts ist daher natuͤrlicher und wahrer gesagt, als die Worte der Frau des <persName ref="#ref0083"><note type="editorial">Ulrici</note>Herrn Pastor U..,</persName> da sie die Nachricht von dem Tode seines Freundes hoͤrte: »Jsts moͤglich, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat (der <persName ref="#ref0083"><note type="editorial">Ulrici</note>Herr Pastor U..</persName> hatte ihn ihr gleich beim Aufstehen erzaͤhlt) schon erfuͤllt zu sehen! — wir traͤumen heute wohl alle — und wollte Gott, wir traͤumten, so haͤtten wir unsren Freund noch! —« </p> <p>Diese Bemerkung, dieser Wunsch, wie tief sind beide im Jnnersten der Seele gegruͤndet! — </p> <p>Zuletzt bemerkt der <persName ref="#ref0083"><note type="editorial">Ulrici</note>Herr Pastor U..</persName> noch, daß in dem Hause seines verstorbenen Freundes nicht einmal eine Veraͤnderung des Anzuges bei mehr als hundert Personen anzutreffen war. — Vermuthlich, weil die Personen groͤßtentheils Bauern waren, die immer ziemlich gleich gekleidet zu seyn pflegen, und weil die uͤbrigen, da sie sich zu einem solchen Besuch nicht werden angeputzt haben, wahrscheinlich ihre gewoͤhnlichen Kleider trugen, worin sie der <persName ref="#ref0083"><note type="editorial">Ulrici</note>Herr Pastor U..</persName> sonst im Wachen gesehen hatte, und also auch kein Grund vorhanden war, daß er sie im Traume haͤtte anders<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0023]
Jndes kann es nicht fehlen, daß ein Traum, der zufaͤlliger Weise auf die Art eintrift, eine ganz besondre Wirkung auf die Seele thun muß. — Die Grenzlinien zwischen Wahrheit und Traum scheinen wegzufallen; man glaubt, man traͤume noch wachend.
Nichts ist daher natuͤrlicher und wahrer gesagt, als die Worte der Frau des Herrn Pastor U.., da sie die Nachricht von dem Tode seines Freundes hoͤrte: »Jsts moͤglich, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat (der Herr Pastor U.. hatte ihn ihr gleich beim Aufstehen erzaͤhlt) schon erfuͤllt zu sehen! — wir traͤumen heute wohl alle — und wollte Gott, wir traͤumten, so haͤtten wir unsren Freund noch! —«
Diese Bemerkung, dieser Wunsch, wie tief sind beide im Jnnersten der Seele gegruͤndet! —
Zuletzt bemerkt der Herr Pastor U.. noch, daß in dem Hause seines verstorbenen Freundes nicht einmal eine Veraͤnderung des Anzuges bei mehr als hundert Personen anzutreffen war. — Vermuthlich, weil die Personen groͤßtentheils Bauern waren, die immer ziemlich gleich gekleidet zu seyn pflegen, und weil die uͤbrigen, da sie sich zu einem solchen Besuch nicht werden angeputzt haben, wahrscheinlich ihre gewoͤhnlichen Kleider trugen, worin sie der Herr Pastor U.. sonst im Wachen gesehen hatte, und also auch kein Grund vorhanden war, daß er sie im Traume haͤtte anders
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |