Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.Sonderbar! am vorigen Sonntag, da mich ein Freund mit zur Aufführung einer französischen Comödie nahm, wo alle die Eltern der Kinder waren, die sie spielten, und alle meine vorigen Freunde und Bekannte, afficierte mich das Alles, was da vorging, und was ich da sah, so sehr, daß ich nach Endigung derselben die Gesellschaft verlassen, und zu Hause gehen mußte: ich bekam ein heftiges Flußfieber, der Arzt kam den Montag, den Diensttag mußte ich ein Vomitiv einnehmen, und bis heute darf ich noch nicht ausgehen, so rührte mich alles: anfangs konnte ich fast nirgends im Hause gehen, ohne zu weinen: ich kann Dir nicht sagen, wie mich alles afficiert, und wie ich alles bereue. Auch herrscht itzt eine solche Ruhe in meiner Seele: sobald ich wieder ausgehn darf, werde ich Freunde besuchen, mir täglich Bewegung machen, lesen und thätig seyn, so viel ich kann, und einmal die häußlichen Freuden so recht genießen: ich finde itzt einen grossen Geschmack am Predigen, und werde meine beiden Collegien von Leß rezetiren, seine Moral und practische Dogmatik auch in den neuern Sprachen lesen, und überhaupt, wenn ich nur erst völlig wieder besser bin, mich so einrichten, daß ich immer thätig bin. hat eine herzliche Freude, Du kannst es gar nicht glauben; er will mir ein Mein guter Vater Sonderbar! am vorigen Sonntag, da mich ein Freund mit zur Auffuͤhrung einer franzoͤsischen Comoͤdie nahm, wo alle die Eltern der Kinder waren, die sie spielten, und alle meine vorigen Freunde und Bekannte, afficierte mich das Alles, was da vorging, und was ich da sah, so sehr, daß ich nach Endigung derselben die Gesellschaft verlassen, und zu Hause gehen mußte: ich bekam ein heftiges Flußfieber, der Arzt kam den Montag, den Diensttag mußte ich ein Vomitiv einnehmen, und bis heute darf ich noch nicht ausgehen, so ruͤhrte mich alles: anfangs konnte ich fast nirgends im Hause gehen, ohne zu weinen: ich kann Dir nicht sagen, wie mich alles afficiert, und wie ich alles bereue. Auch herrscht itzt eine solche Ruhe in meiner Seele: sobald ich wieder ausgehn darf, werde ich Freunde besuchen, mir taͤglich Bewegung machen, lesen und thaͤtig seyn, so viel ich kann, und einmal die haͤußlichen Freuden so recht genießen: ich finde itzt einen grossen Geschmack am Predigen, und werde meine beiden Collegien von Leß rezetiren, seine Moral und practische Dogmatik auch in den neuern Sprachen lesen, und uͤberhaupt, wenn ich nur erst voͤllig wieder besser bin, mich so einrichten, daß ich immer thaͤtig bin. hat eine herzliche Freude, Du kannst es gar nicht glauben; er will mir ein Mein guter Vater <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0090" n="88"/><lb/> <p>Sonderbar! am vorigen Sonntag, da mich ein Freund mit zur Auffuͤhrung einer franzoͤsischen Comoͤdie nahm, wo alle die Eltern der Kinder waren, die sie spielten, und alle meine vorigen Freunde und Bekannte, afficierte mich das <hi rendition="#b">Alles,</hi> was da vorging, und was ich da sah, so sehr, daß ich nach Endigung derselben die Gesellschaft verlassen, und zu Hause gehen mußte: ich bekam ein heftiges Flußfieber, der Arzt kam den Montag, den Diensttag mußte ich ein Vomitiv einnehmen, und bis heute darf ich noch nicht ausgehen, so ruͤhrte mich alles: anfangs konnte ich fast nirgends im Hause gehen, ohne zu weinen: ich kann Dir nicht sagen, wie mich alles afficiert, und wie ich alles bereue. </p> <p>Auch herrscht itzt eine solche Ruhe in meiner Seele: sobald ich wieder ausgehn darf, werde ich Freunde besuchen, mir taͤglich Bewegung machen, lesen und thaͤtig seyn, so viel ich kann, und einmal die haͤußlichen Freuden so recht genießen: ich finde itzt einen grossen Geschmack am Predigen, und werde meine beiden Collegien von Leß rezetiren, seine Moral und practische Dogmatik auch in den neuern Sprachen lesen, und uͤberhaupt, wenn ich nur erst voͤllig wieder besser bin, mich so einrichten, daß ich immer thaͤtig bin. </p> <p><persName ref="#ref0120"><note type="editorial">Paulmann, Johann Ludwig</note>Mein guter Vater</persName> hat eine herzliche Freude, Du kannst es gar nicht glauben; er will mir ein<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0090]
Sonderbar! am vorigen Sonntag, da mich ein Freund mit zur Auffuͤhrung einer franzoͤsischen Comoͤdie nahm, wo alle die Eltern der Kinder waren, die sie spielten, und alle meine vorigen Freunde und Bekannte, afficierte mich das Alles, was da vorging, und was ich da sah, so sehr, daß ich nach Endigung derselben die Gesellschaft verlassen, und zu Hause gehen mußte: ich bekam ein heftiges Flußfieber, der Arzt kam den Montag, den Diensttag mußte ich ein Vomitiv einnehmen, und bis heute darf ich noch nicht ausgehen, so ruͤhrte mich alles: anfangs konnte ich fast nirgends im Hause gehen, ohne zu weinen: ich kann Dir nicht sagen, wie mich alles afficiert, und wie ich alles bereue.
Auch herrscht itzt eine solche Ruhe in meiner Seele: sobald ich wieder ausgehn darf, werde ich Freunde besuchen, mir taͤglich Bewegung machen, lesen und thaͤtig seyn, so viel ich kann, und einmal die haͤußlichen Freuden so recht genießen: ich finde itzt einen grossen Geschmack am Predigen, und werde meine beiden Collegien von Leß rezetiren, seine Moral und practische Dogmatik auch in den neuern Sprachen lesen, und uͤberhaupt, wenn ich nur erst voͤllig wieder besser bin, mich so einrichten, daß ich immer thaͤtig bin.
Mein guter Vater hat eine herzliche Freude, Du kannst es gar nicht glauben; er will mir ein
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