Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite


welches den gekreuzigten Heiland vorstellte. Als er auch dieses begriffen zu haben schien, sagte ich diesem Stummen ferner durch Gebehrden und Zeichen, daß eben dieser Jesus auch sey begraben worden, daß er aber nach drei Tagen schon wieder aus dem Grabe lebendig hervorgegangen, und gen Himmel aufgefahren sei, wo er nie wieder sterben, sondern ewig leben würde. Um ihm dieses beizubringen, that ich, als wenn ich todt wäre, schloß die Augen, lag einige Zeit auf dem Bette ausgestreckt, und beim Erwachen zeigte ich ihm, daß der Heiland auch gestorben sei, weil er in die Seite gestochen worden, welches ihm nemlich, als ich ihm ein Crucifix zeigte, da Blut aus der ofnen Wunde in der Seite strömte, besonders auffiel, daß er aber auch eben so nach drei Tagen wieder erwacht, lebendig aus dem Grabe hervorgegangen, und einige Zeit nach seiner Auferstehung wieder gen Himmel, woher er gekommen, aufgefahren sei, wobei ich seiner Einbildungskraft durch ein die Himmelfahrt Christi vorstellendes Bild wieder zu Hülfe zu kommen suchte. Jch weiß daher nicht, ob ich in diesem Stücke die Meinung des Herrn Verfassers des im zweiten Bandes zweites Stück dieses Magazins befindlichen Aufsatzes ganz annehmen kann, daß man einem Taubstummen gar keine Begriffe von dem Tode, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu beizubringen im Stande sei, besonders wenn ein Mann, der mehr Geschicklichkeit und Er-


welches den gekreuzigten Heiland vorstellte. Als er auch dieses begriffen zu haben schien, sagte ich diesem Stummen ferner durch Gebehrden und Zeichen, daß eben dieser Jesus auch sey begraben worden, daß er aber nach drei Tagen schon wieder aus dem Grabe lebendig hervorgegangen, und gen Himmel aufgefahren sei, wo er nie wieder sterben, sondern ewig leben wuͤrde. Um ihm dieses beizubringen, that ich, als wenn ich todt waͤre, schloß die Augen, lag einige Zeit auf dem Bette ausgestreckt, und beim Erwachen zeigte ich ihm, daß der Heiland auch gestorben sei, weil er in die Seite gestochen worden, welches ihm nemlich, als ich ihm ein Crucifix zeigte, da Blut aus der ofnen Wunde in der Seite stroͤmte, besonders auffiel, daß er aber auch eben so nach drei Tagen wieder erwacht, lebendig aus dem Grabe hervorgegangen, und einige Zeit nach seiner Auferstehung wieder gen Himmel, woher er gekommen, aufgefahren sei, wobei ich seiner Einbildungskraft durch ein die Himmelfahrt Christi vorstellendes Bild wieder zu Huͤlfe zu kommen suchte. Jch weiß daher nicht, ob ich in diesem Stuͤcke die Meinung des Herrn Verfassers des im zweiten Bandes zweites Stuͤck dieses Magazins befindlichen Aufsatzes ganz annehmen kann, daß man einem Taubstummen gar keine Begriffe von dem Tode, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu beizubringen im Stande sei, besonders wenn ein Mann, der mehr Geschicklichkeit und Er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0046" n="46"/><lb/>
welches den gekreuzigten Heiland vorstellte. Als er auch dieses                   begriffen zu haben schien, sagte ich diesem Stummen ferner durch Gebehrden und                   Zeichen, daß eben dieser Jesus auch sey begraben worden, daß er aber nach drei                   Tagen schon wieder aus dem Grabe lebendig hervorgegangen, und gen Himmel                   aufgefahren sei, wo er nie wieder sterben, sondern ewig leben wu&#x0364;rde. Um ihm dieses                   beizubringen, that ich, als wenn ich todt wa&#x0364;re, schloß die Augen, lag einige Zeit                   auf dem Bette ausgestreckt, und beim Erwachen zeigte ich ihm, daß der Heiland auch                   gestorben sei, weil er in die Seite gestochen worden, welches ihm nemlich, als ich                   ihm ein Crucifix zeigte, da Blut aus der ofnen Wunde in der Seite stro&#x0364;mte,                   besonders auffiel, daß er aber auch eben so nach drei Tagen wieder erwacht,                   lebendig aus dem Grabe hervorgegangen, und einige Zeit nach seiner Auferstehung                   wieder gen Himmel, woher er gekommen, aufgefahren sei, wobei ich seiner                   Einbildungskraft durch ein die Himmelfahrt Christi vorstellendes Bild wieder zu                   Hu&#x0364;lfe zu kommen suchte. Jch weiß daher nicht, ob ich in diesem Stu&#x0364;cke die Meinung                   des Herrn Verfassers des im zweiten Bandes zweites Stu&#x0364;ck dieses Magazins                   befindlichen Aufsatzes ganz annehmen kann, daß man einem Taubstummen gar keine                   Begriffe von dem Tode, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu beizubringen im Stande                   sei, besonders wenn ein Mann, der mehr Geschicklichkeit und Er-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0046] welches den gekreuzigten Heiland vorstellte. Als er auch dieses begriffen zu haben schien, sagte ich diesem Stummen ferner durch Gebehrden und Zeichen, daß eben dieser Jesus auch sey begraben worden, daß er aber nach drei Tagen schon wieder aus dem Grabe lebendig hervorgegangen, und gen Himmel aufgefahren sei, wo er nie wieder sterben, sondern ewig leben wuͤrde. Um ihm dieses beizubringen, that ich, als wenn ich todt waͤre, schloß die Augen, lag einige Zeit auf dem Bette ausgestreckt, und beim Erwachen zeigte ich ihm, daß der Heiland auch gestorben sei, weil er in die Seite gestochen worden, welches ihm nemlich, als ich ihm ein Crucifix zeigte, da Blut aus der ofnen Wunde in der Seite stroͤmte, besonders auffiel, daß er aber auch eben so nach drei Tagen wieder erwacht, lebendig aus dem Grabe hervorgegangen, und einige Zeit nach seiner Auferstehung wieder gen Himmel, woher er gekommen, aufgefahren sei, wobei ich seiner Einbildungskraft durch ein die Himmelfahrt Christi vorstellendes Bild wieder zu Huͤlfe zu kommen suchte. Jch weiß daher nicht, ob ich in diesem Stuͤcke die Meinung des Herrn Verfassers des im zweiten Bandes zweites Stuͤck dieses Magazins befindlichen Aufsatzes ganz annehmen kann, daß man einem Taubstummen gar keine Begriffe von dem Tode, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu beizubringen im Stande sei, besonders wenn ein Mann, der mehr Geschicklichkeit und Er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/46
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/46>, abgerufen am 23.11.2024.