Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
Das Zimmer, worin er mich aufnahm, erkannte ich nicht mehr, ob es gleich dasjenige war, worin man vor dreißig Jahren gespeiset hatte. Vermuthlich hat man mich damals, weil ich noch auf den Armen getragen wurde, während dem Essen fortgeschickt. Es war vorzüglich der Hintertheil des Hauses, und das Wasserbehältniß, das ich mir lebhaft vorstellte; vielleicht wegen des Vergnügens, das ich gehabt hatte, Hechte lebendig fangen zu sehen. Dieß bewog mich, meinen Freund zu bitten, daß er mich sein Haus möchte ganz durchgehen lassen, ohne mir etwas zu sagen, weil ich meine besondere Ursache dazu hätte, alles allein sehen zu wollen. Er ließ mir meinen Willen: und ich fand wirklich alles Jnnere auf das genaueste meiner Erinnerung gemäß. Freilich mutatis mutandis; das heißt: das Verhältnis der Größe der Gegenstände ausgenommen; denn alles kam mir jetzt viel kleiner, wie damals vor, welches auch sehr natürlich ist. -- Jch habe mich nachdem sorgfältig nach der Zeit erkundiget, in welcher mein Anverwandter diese Wohnung verlassen hat -- und es hat sich befunden, daß ich zu der Zeit noch nicht zwei Jahr,
Das Zimmer, worin er mich aufnahm, erkannte ich nicht mehr, ob es gleich dasjenige war, worin man vor dreißig Jahren gespeiset hatte. Vermuthlich hat man mich damals, weil ich noch auf den Armen getragen wurde, waͤhrend dem Essen fortgeschickt. Es war vorzuͤglich der Hintertheil des Hauses, und das Wasserbehaͤltniß, das ich mir lebhaft vorstellte; vielleicht wegen des Vergnuͤgens, das ich gehabt hatte, Hechte lebendig fangen zu sehen. Dieß bewog mich, meinen Freund zu bitten, daß er mich sein Haus moͤchte ganz durchgehen lassen, ohne mir etwas zu sagen, weil ich meine besondere Ursache dazu haͤtte, alles allein sehen zu wollen. Er ließ mir meinen Willen: und ich fand wirklich alles Jnnere auf das genaueste meiner Erinnerung gemaͤß. Freilich mutatis mutandis; das heißt: das Verhaͤltnis der Groͤße der Gegenstaͤnde ausgenommen; denn alles kam mir jetzt viel kleiner, wie damals vor, welches auch sehr natuͤrlich ist. — Jch habe mich nachdem sorgfaͤltig nach der Zeit erkundiget, in welcher mein Anverwandter diese Wohnung verlassen hat — und es hat sich befunden, daß ich zu der Zeit noch nicht zwei Jahr, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0095" n="95"/><lb/> ßig oder einunddreißig Jahren, einen Freund besuchte, der damals das Haus bewohnte. </p> <p>Das Zimmer, worin er mich aufnahm, erkannte ich nicht mehr, ob es gleich dasjenige war, worin man vor dreißig Jahren gespeiset hatte. Vermuthlich hat man mich damals, weil ich noch auf den Armen getragen wurde, waͤhrend dem Essen fortgeschickt. </p> <p>Es war vorzuͤglich der Hintertheil des Hauses, und das Wasserbehaͤltniß, das ich mir lebhaft vorstellte; vielleicht wegen des Vergnuͤgens, das ich gehabt hatte, Hechte lebendig fangen zu sehen. </p> <p>Dieß bewog mich, meinen Freund zu bitten, daß er mich sein Haus moͤchte ganz durchgehen lassen, ohne mir etwas zu sagen, weil ich meine besondere Ursache dazu haͤtte, alles allein sehen zu wollen. Er ließ mir meinen Willen: und ich fand wirklich alles Jnnere auf das genaueste meiner Erinnerung gemaͤß. </p> <p>Freilich <hi rendition="#aq">mutatis mutandis;</hi> das heißt: das Verhaͤltnis der Groͤße der Gegenstaͤnde ausgenommen; denn alles kam mir jetzt viel kleiner, wie damals vor, welches auch sehr natuͤrlich ist. — </p> <p>Jch habe mich nachdem sorgfaͤltig nach der Zeit erkundiget, in welcher mein Anverwandter diese Wohnung verlassen hat — und es hat sich befunden, daß ich zu der Zeit noch nicht zwei Jahr,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0095]
ßig oder einunddreißig Jahren, einen Freund besuchte, der damals das Haus bewohnte.
Das Zimmer, worin er mich aufnahm, erkannte ich nicht mehr, ob es gleich dasjenige war, worin man vor dreißig Jahren gespeiset hatte. Vermuthlich hat man mich damals, weil ich noch auf den Armen getragen wurde, waͤhrend dem Essen fortgeschickt.
Es war vorzuͤglich der Hintertheil des Hauses, und das Wasserbehaͤltniß, das ich mir lebhaft vorstellte; vielleicht wegen des Vergnuͤgens, das ich gehabt hatte, Hechte lebendig fangen zu sehen.
Dieß bewog mich, meinen Freund zu bitten, daß er mich sein Haus moͤchte ganz durchgehen lassen, ohne mir etwas zu sagen, weil ich meine besondere Ursache dazu haͤtte, alles allein sehen zu wollen. Er ließ mir meinen Willen: und ich fand wirklich alles Jnnere auf das genaueste meiner Erinnerung gemaͤß.
Freilich mutatis mutandis; das heißt: das Verhaͤltnis der Groͤße der Gegenstaͤnde ausgenommen; denn alles kam mir jetzt viel kleiner, wie damals vor, welches auch sehr natuͤrlich ist. —
Jch habe mich nachdem sorgfaͤltig nach der Zeit erkundiget, in welcher mein Anverwandter diese Wohnung verlassen hat — und es hat sich befunden, daß ich zu der Zeit noch nicht zwei Jahr,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |