Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.Jch will daher zuerst eine Vergleichung zwischen zwei sehr nahe verwandten, und doch in Ansehung des Verbums seyn, sehr voneinander unterschiednen Sprachen, der Deutschen und der Englischen versuchen. Es giebt verschiedne Wörter im Deutschen, welche im Englischen durch ganz andre Wörter, die mit denselben in Ansehung ihrer einzelnen Laute nicht die mindeste Aehnlichkeit haben, übersetzt werden müssen. Von der Art sind z.B. sterben, die, die Art, kind -- demohngeachtet aber sind die Wörter sterben und Art, in dem Wörtervorrath der Englischen Sprache auch vorhanden, aber sie haben ihre allgemeine Bedeutung verlohren, und eine speziellere angenommen -- starve heißt, bloß vor Hunger sterben, und thou art heißt du bist -- das Englische die und dead hingegen finden wir in unsrem todt wieder, wo es den leidenden, und tödten, wo es den thätigen Begriff des Todes bezeichnet. Was also im Englischen nur eine spezielle Art des Todleidens bezeichnet, das drückt im Deutschen das Todleiden im Allgemeinen aus, vielleicht weil man sich die Entziehung oder Entbehrung der Nahrungsmittel als den Hauptumstand bei dem Todleiden, und alles Sterben sich auf gewisse Weise, wie im Verschmachten oder Verhungern dachte. Das Englische Kind ist uns in dem Worte Kind übrig geblieben, wo es nun zwar nicht mehr Jch will daher zuerst eine Vergleichung zwischen zwei sehr nahe verwandten, und doch in Ansehung des Verbums seyn, sehr voneinander unterschiednen Sprachen, der Deutschen und der Englischen versuchen. Es giebt verschiedne Woͤrter im Deutschen, welche im Englischen durch ganz andre Woͤrter, die mit denselben in Ansehung ihrer einzelnen Laute nicht die mindeste Aehnlichkeit haben, uͤbersetzt werden muͤssen. Von der Art sind z.B. sterben, die, die Art, kind — demohngeachtet aber sind die Woͤrter sterben und Art, in dem Woͤrtervorrath der Englischen Sprache auch vorhanden, aber sie haben ihre allgemeine Bedeutung verlohren, und eine speziellere angenommen — starve heißt, bloß vor Hunger sterben, und thou art heißt du bist — das Englische die und dead hingegen finden wir in unsrem todt wieder, wo es den leidenden, und toͤdten, wo es den thaͤtigen Begriff des Todes bezeichnet. Was also im Englischen nur eine spezielle Art des Todleidens bezeichnet, das druͤckt im Deutschen das Todleiden im Allgemeinen aus, vielleicht weil man sich die Entziehung oder Entbehrung der Nahrungsmittel als den Hauptumstand bei dem Todleiden, und alles Sterben sich auf gewisse Weise, wie im Verschmachten oder Verhungern dachte. Das Englische Kind ist uns in dem Worte Kind uͤbrig geblieben, wo es nun zwar nicht mehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0103" n="103"/><lb/> <p>Jch will daher zuerst eine Vergleichung zwischen zwei sehr nahe verwandten, und doch in Ansehung des Verbums <hi rendition="#b">seyn,</hi> sehr voneinander unterschiednen Sprachen, der Deutschen und der Englischen versuchen. </p> <p>Es giebt verschiedne Woͤrter im Deutschen, welche im Englischen durch ganz andre Woͤrter, die mit denselben in Ansehung ihrer einzelnen Laute nicht die mindeste Aehnlichkeit haben, uͤbersetzt werden muͤssen. Von der Art sind z.B. <hi rendition="#b">sterben,</hi> <hi rendition="#aq">die,</hi> <hi rendition="#b">die Art,</hi> <hi rendition="#aq">kind</hi> — demohngeachtet aber sind die Woͤrter <hi rendition="#b">sterben</hi> und <hi rendition="#b">Art,</hi> in dem Woͤrtervorrath der Englischen Sprache auch vorhanden, aber sie haben ihre <hi rendition="#b">allgemeine Bedeutung</hi> verlohren, und eine speziellere angenommen — <hi rendition="#aq">starve</hi> heißt, bloß <hi rendition="#b">vor Hunger sterben,</hi> und <hi rendition="#aq">thou art</hi> heißt <hi rendition="#b">du bist</hi> — das Englische <hi rendition="#aq">die</hi> und <hi rendition="#aq">dead</hi> hingegen finden wir in unsrem <hi rendition="#b">todt</hi> wieder, wo es den leidenden, und <hi rendition="#b">toͤdten,</hi> wo es den thaͤtigen Begriff des Todes bezeichnet. Was also im Englischen nur eine spezielle Art des <hi rendition="#b">Todleidens</hi> bezeichnet, das druͤckt im Deutschen das <hi rendition="#b">Todleiden</hi> im Allgemeinen aus, vielleicht weil man sich die Entziehung oder Entbehrung der Nahrungsmittel als den Hauptumstand bei dem Todleiden, und alles Sterben sich auf gewisse Weise, wie im Verschmachten oder Verhungern dachte. </p> <p>Das Englische <hi rendition="#aq">Kind</hi> ist uns in dem Worte <hi rendition="#b">Kind</hi> uͤbrig geblieben, wo es nun zwar nicht mehr<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0103]
Jch will daher zuerst eine Vergleichung zwischen zwei sehr nahe verwandten, und doch in Ansehung des Verbums seyn, sehr voneinander unterschiednen Sprachen, der Deutschen und der Englischen versuchen.
Es giebt verschiedne Woͤrter im Deutschen, welche im Englischen durch ganz andre Woͤrter, die mit denselben in Ansehung ihrer einzelnen Laute nicht die mindeste Aehnlichkeit haben, uͤbersetzt werden muͤssen. Von der Art sind z.B. sterben, die, die Art, kind — demohngeachtet aber sind die Woͤrter sterben und Art, in dem Woͤrtervorrath der Englischen Sprache auch vorhanden, aber sie haben ihre allgemeine Bedeutung verlohren, und eine speziellere angenommen — starve heißt, bloß vor Hunger sterben, und thou art heißt du bist — das Englische die und dead hingegen finden wir in unsrem todt wieder, wo es den leidenden, und toͤdten, wo es den thaͤtigen Begriff des Todes bezeichnet. Was also im Englischen nur eine spezielle Art des Todleidens bezeichnet, das druͤckt im Deutschen das Todleiden im Allgemeinen aus, vielleicht weil man sich die Entziehung oder Entbehrung der Nahrungsmittel als den Hauptumstand bei dem Todleiden, und alles Sterben sich auf gewisse Weise, wie im Verschmachten oder Verhungern dachte.
Das Englische Kind ist uns in dem Worte Kind uͤbrig geblieben, wo es nun zwar nicht mehr
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/103>, abgerufen am 20.07.2024. |