Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.bleibt nur noch eine schwache Spur des Begriffes übrig; der Vokal mit dem Schluß des Mundes, vermöge des m, bezeichnet das eigne Selbstgefühl. Unser bin aber finden wir im Englischen been wieder, welches gewesen, und be, welches seyn heißt; und die Spur von unsrem gewesen finden wir wieder in dem Englischen, I was, ich war; und unser bist in dem Englischen thou beest, der zweiten Person des Konjunktivs. Man kann sich das seyn nicht ohne die Art oder Beschaffenheit des Seyns, das was nicht ohne das wie denken. Es ist daher nicht zu verwundern, daß diese beiden Begriffe bei jeder Gelegenheit ineinanderfließen, und in verschiednen Sprachen einer für den andern genommen werden. Nur ist es merkwürdig, daß in der Deutschen Sprache Wesen die Art des Seyns oder die Eigenschaften bedeutet, und daß das vergangne seyn ebenfalls durch gewesen bezeichnet wird. -- Die Silbe ge hat in der Deutschen Sprache eine zusammenfassende Kraft, so wird z.B. von Murmeln das zusammengefaßte Murmeln, Gemurmel, von kommen das zusammengefaßte vollendete kommen, gekommen genannt -- ich bin gekommen -- der Bach hat gemurmelt -- so heißt es also nun auch: er ist gewesen, wenn ich mir das successive Seyn als vergangen, vollendet, und zusammengefaßt denke. -- bleibt nur noch eine schwache Spur des Begriffes uͤbrig; der Vokal mit dem Schluß des Mundes, vermoͤge des m, bezeichnet das eigne Selbstgefuͤhl. Unser bin aber finden wir im Englischen been wieder, welches gewesen, und be, welches seyn heißt; und die Spur von unsrem gewesen finden wir wieder in dem Englischen, I was, ich war; und unser bist in dem Englischen thou beest, der zweiten Person des Konjunktivs. Man kann sich das seyn nicht ohne die Art oder Beschaffenheit des Seyns, das was nicht ohne das wie denken. Es ist daher nicht zu verwundern, daß diese beiden Begriffe bei jeder Gelegenheit ineinanderfließen, und in verschiednen Sprachen einer fuͤr den andern genommen werden. Nur ist es merkwuͤrdig, daß in der Deutschen Sprache Wesen die Art des Seyns oder die Eigenschaften bedeutet, und daß das vergangne seyn ebenfalls durch gewesen bezeichnet wird. — Die Silbe ge hat in der Deutschen Sprache eine zusammenfassende Kraft, so wird z.B. von Murmeln das zusammengefaßte Murmeln, Gemurmel, von kommen das zusammengefaßte vollendete kommen, gekommen genannt — ich bin gekommen — der Bach hat gemurmelt — so heißt es also nun auch: er ist gewesen, wenn ich mir das successive Seyn als vergangen, vollendet, und zusammengefaßt denke. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0105" n="105"/><lb/> <p>bleibt nur noch eine schwache Spur des Begriffes uͤbrig; der Vokal mit dem Schluß des Mundes, vermoͤge des <hi rendition="#aq">m,</hi> bezeichnet das eigne Selbstgefuͤhl. </p> <p>Unser <hi rendition="#b">bin</hi> aber finden wir im Englischen <hi rendition="#aq">been</hi> wieder, welches <hi rendition="#b">gewesen,</hi> und <hi rendition="#aq">be,</hi> welches <hi rendition="#b">seyn</hi> heißt; und die Spur von unsrem <hi rendition="#b">gewesen</hi> finden wir wieder in dem Englischen, <hi rendition="#aq">I was,</hi> <hi rendition="#b">ich war;</hi> und unser <hi rendition="#b">bist</hi> in dem Englischen <hi rendition="#aq">thou beest,</hi> der zweiten Person des Konjunktivs. </p> <p>Man kann sich das <hi rendition="#b">seyn</hi> nicht ohne die <hi rendition="#b">Art</hi> oder Beschaffenheit des Seyns, das <hi rendition="#b">was</hi> nicht ohne das <hi rendition="#b">wie</hi> denken. Es ist daher nicht zu verwundern, daß diese beiden Begriffe bei jeder Gelegenheit ineinanderfließen, und in verschiednen Sprachen einer fuͤr den andern genommen werden. </p> <p>Nur ist es merkwuͤrdig, daß in der Deutschen Sprache <hi rendition="#b">Wesen</hi> die Art des Seyns oder die Eigenschaften bedeutet, und daß das vergangne <hi rendition="#b">seyn</hi> ebenfalls durch <hi rendition="#b">gewesen</hi> bezeichnet wird. — </p> <p>Die Silbe <hi rendition="#b">ge</hi> hat in der Deutschen Sprache eine zusammenfassende Kraft, so wird z.B. von Murmeln das zusammengefaßte Murmeln, <hi rendition="#b">Gemurmel,</hi> von kommen das zusammengefaßte vollendete kommen, <hi rendition="#b">gekommen</hi> genannt — <hi rendition="#b">ich bin gekommen</hi> — <hi rendition="#b">der Bach hat gemurmelt</hi> — so heißt es also nun auch: <hi rendition="#b">er ist gewesen,</hi> wenn ich mir das successive Seyn als vergangen, vollendet, und zusammengefaßt denke. — </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0105]
bleibt nur noch eine schwache Spur des Begriffes uͤbrig; der Vokal mit dem Schluß des Mundes, vermoͤge des m, bezeichnet das eigne Selbstgefuͤhl.
Unser bin aber finden wir im Englischen been wieder, welches gewesen, und be, welches seyn heißt; und die Spur von unsrem gewesen finden wir wieder in dem Englischen, I was, ich war; und unser bist in dem Englischen thou beest, der zweiten Person des Konjunktivs.
Man kann sich das seyn nicht ohne die Art oder Beschaffenheit des Seyns, das was nicht ohne das wie denken. Es ist daher nicht zu verwundern, daß diese beiden Begriffe bei jeder Gelegenheit ineinanderfließen, und in verschiednen Sprachen einer fuͤr den andern genommen werden.
Nur ist es merkwuͤrdig, daß in der Deutschen Sprache Wesen die Art des Seyns oder die Eigenschaften bedeutet, und daß das vergangne seyn ebenfalls durch gewesen bezeichnet wird. —
Die Silbe ge hat in der Deutschen Sprache eine zusammenfassende Kraft, so wird z.B. von Murmeln das zusammengefaßte Murmeln, Gemurmel, von kommen das zusammengefaßte vollendete kommen, gekommen genannt — ich bin gekommen — der Bach hat gemurmelt — so heißt es also nun auch: er ist gewesen, wenn ich mir das successive Seyn als vergangen, vollendet, und zusammengefaßt denke. —
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/105>, abgerufen am 16.02.2025. |