Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0119" n="119"/><lb/> sichtbar bleibt, ungemein verschoͤnert. Seine aͤußern Bewegungen haben etwas Gefaͤlliges, Ungezwungenes, und entfernen sich ungeachtet seiner Munterkeit nur aͤußerst selten von der Grenze des Schicklichen. Er haͤlt viel auf Ordnung, auf Reinlichkeit, ohne es im geringsten merken zu lassen, daß er deshalb mehr thue, als er eigentlich thun muͤsse. Er ist durch einen Blick zu regieren. Sein Kopf ist voll Anlage, und seine Wißbegierde und Achtsamkeit scheint fuͤr sein Alter uͤberaus groß und uneingeschraͤnkt zu seyn. Sein Auge ist fast immer auf den Lehrer geheftet, und seine Mitschuͤler scheinen ihm dann zu unbedeutend zu seyn, als daß sie ihn stoͤren und seine Aufmerksamkeit oder seinen Unwillen, nachdem es kommt, auch nur eine Minute lang auf sich richten sollten. Es ist, als ob alles in seiner Seele rege und thaͤtig wuͤrde, wenn ihn etwas vorzuͤglich interessirt; und, wie gesagt, alles ist ihm wissenswuͤrdig. Sein Auge gluͤht, seine Minen werden vollzaͤhliger, und sein ganzer Koͤrper geraͤth in Bewegung, wenn er eine Frage, die einem andern vorgelegt wird, beantworten kann, und sie doch gerade jetzt nicht beantworten soll. Er will in dem Augenblicke Herr und Meister uͤber diese seine Begierde seyn, und er wird es mit großer Anstrengung, nur daß im ersten Kampf mit sich ein Laut, ein Ach! oder: Jch weiß es, fast unwillkuͤhrlich herausstroͤmt; oder er wendet sein Auge schnell zu dem Antwortenden, nicht als ob er eine Ant-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0119]
sichtbar bleibt, ungemein verschoͤnert. Seine aͤußern Bewegungen haben etwas Gefaͤlliges, Ungezwungenes, und entfernen sich ungeachtet seiner Munterkeit nur aͤußerst selten von der Grenze des Schicklichen. Er haͤlt viel auf Ordnung, auf Reinlichkeit, ohne es im geringsten merken zu lassen, daß er deshalb mehr thue, als er eigentlich thun muͤsse. Er ist durch einen Blick zu regieren. Sein Kopf ist voll Anlage, und seine Wißbegierde und Achtsamkeit scheint fuͤr sein Alter uͤberaus groß und uneingeschraͤnkt zu seyn. Sein Auge ist fast immer auf den Lehrer geheftet, und seine Mitschuͤler scheinen ihm dann zu unbedeutend zu seyn, als daß sie ihn stoͤren und seine Aufmerksamkeit oder seinen Unwillen, nachdem es kommt, auch nur eine Minute lang auf sich richten sollten. Es ist, als ob alles in seiner Seele rege und thaͤtig wuͤrde, wenn ihn etwas vorzuͤglich interessirt; und, wie gesagt, alles ist ihm wissenswuͤrdig. Sein Auge gluͤht, seine Minen werden vollzaͤhliger, und sein ganzer Koͤrper geraͤth in Bewegung, wenn er eine Frage, die einem andern vorgelegt wird, beantworten kann, und sie doch gerade jetzt nicht beantworten soll. Er will in dem Augenblicke Herr und Meister uͤber diese seine Begierde seyn, und er wird es mit großer Anstrengung, nur daß im ersten Kampf mit sich ein Laut, ein Ach! oder: Jch weiß es, fast unwillkuͤhrlich herausstroͤmt; oder er wendet sein Auge schnell zu dem Antwortenden, nicht als ob er eine Ant-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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