Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0034" n="34"/><lb/> nie gedeihen wird. Mein Vater wurde mir, noch ehe ich den suͤssen Vaternamen aussprechen konnte, entrissen, und ich blieb unter der Pflege einer zaͤrtlichen Mutter, die bey dem besten Willen weder Geschicklichkeit genug besaß, mir richtige Begriffe von Gott und der Welt einzupflanzen, noch nach ihrer Lage und den Umstaͤnden des Orts sie mir konnte durch andre geben lassen. Bis in mein achtes Jahr wurde ich einem Lehrer uͤberlassen, der mir mit dem Stock in der Hand Tugend und Christenthum nachdruͤcklich genug einzupraͤgen suchte. Diese Lehrart wirkte dermaßen auf meinen Koͤrper, daß ich noch die Folgen davon empfinde, und weil meine Mutter selbst zu besorgen begann, ich moͤchte in dieser Schule eher zu einem Kruͤppel als zu einem Ritter und vernuͤnftigen Mann geschlagen werden, so sah sie sich genoͤthigt, mich aus dieser Schule, wo alles auf eine hoͤchst empfindliche Weise versinnlicht und fuͤhlbar gemacht wurde, wegzunehmen. Ein wohlthaͤtiger Freund, der Rektor einer benachbarten kleinen Stadtschule, nahm mich zu sich, verschafte mir Stipendien und Tische in der Stadt, und sorgte vaͤterlich fuͤr mich. Er unterrichtete seine Schuͤler im Christenthum nach einem elenden Katechismus, schlug selten einmal um sich, und sah es gern, wenn wir im bloßen Kopf im Freyen herumliefen, auf Mauern kletterten, uns packten, Soldaten spielten, auf dem Eise klannerten u.s.w., wenn wir uns nur nicht miteinander zankten, und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0034]
nie gedeihen wird. Mein Vater wurde mir, noch ehe ich den suͤssen Vaternamen aussprechen konnte, entrissen, und ich blieb unter der Pflege einer zaͤrtlichen Mutter, die bey dem besten Willen weder Geschicklichkeit genug besaß, mir richtige Begriffe von Gott und der Welt einzupflanzen, noch nach ihrer Lage und den Umstaͤnden des Orts sie mir konnte durch andre geben lassen. Bis in mein achtes Jahr wurde ich einem Lehrer uͤberlassen, der mir mit dem Stock in der Hand Tugend und Christenthum nachdruͤcklich genug einzupraͤgen suchte. Diese Lehrart wirkte dermaßen auf meinen Koͤrper, daß ich noch die Folgen davon empfinde, und weil meine Mutter selbst zu besorgen begann, ich moͤchte in dieser Schule eher zu einem Kruͤppel als zu einem Ritter und vernuͤnftigen Mann geschlagen werden, so sah sie sich genoͤthigt, mich aus dieser Schule, wo alles auf eine hoͤchst empfindliche Weise versinnlicht und fuͤhlbar gemacht wurde, wegzunehmen. Ein wohlthaͤtiger Freund, der Rektor einer benachbarten kleinen Stadtschule, nahm mich zu sich, verschafte mir Stipendien und Tische in der Stadt, und sorgte vaͤterlich fuͤr mich. Er unterrichtete seine Schuͤler im Christenthum nach einem elenden Katechismus, schlug selten einmal um sich, und sah es gern, wenn wir im bloßen Kopf im Freyen herumliefen, auf Mauern kletterten, uns packten, Soldaten spielten, auf dem Eise klannerten u.s.w., wenn wir uns nur nicht miteinander zankten, und
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