Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0037" n="37"/><lb/> Muthe, als ich Staͤdte und Berge unter meinen Fuͤssen sah! Beim Aufgange der Sonne, beim Vogelgesang, beim Bloͤcken einer muthigen Heerde wurde ich oft bis zu Thraͤnen geruͤhrt, ohne mir die Ursache erklaͤren zu koͤnnen. Auch schuf sich allmaͤhlich meine Einbildungskraft, durch die Feenmaͤhrchen ohne Zweifel genaͤhrt, neue Bilder und Jdeale. Diese Empfindungen machten mich sanft; ich wurde von Kindern, besonders den Maͤdchen des Orts, gern gesehen. Diesen sang ich ein Liedchen, so wie ich es von Maͤgden, in deren Gesellschaft ich oͤfters die Winterabende zubrachte, gelernt hatte; band ihnen Straͤuschen, steckte sie an ihren Busen, kuͤßte und neckte sie, doch in kindischer Unschuld! Auf Seiten mehrerer meiner Kameraden ging es aber nicht so unschuldig zu; wobei ich denn aber in meiner Einfalt und Unwissenheit kein Aergerniß nahm, da ich so oft Gelegenheit hatte, aͤhnliche wolluͤstige Scenen bei erwachsnen Juͤnglingen und Maͤdchen zu sehen, und also glauben mußte, es sei dieses nichts unrechtes. Einigemal gerieth meine Unschuld in Gesellschaft uͤppiger Maͤdchen in nicht geringe Gefahr. Jch trug eines Tags einer Arbeitsfrau, Magd und noch einem fuͤnfzehnjaͤhrigen Maͤdchen Mittagsessen aufs Feld; zur Dankbarkeit machten sie sich uͤber mich her, legten mich auf die Erde, und waren im Begriff noch mehr zu thun, haͤtte ich mich nicht noch losgerissen. Jch ergriff voll Wuth einen Knittel,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0037]
Muthe, als ich Staͤdte und Berge unter meinen Fuͤssen sah! Beim Aufgange der Sonne, beim Vogelgesang, beim Bloͤcken einer muthigen Heerde wurde ich oft bis zu Thraͤnen geruͤhrt, ohne mir die Ursache erklaͤren zu koͤnnen. Auch schuf sich allmaͤhlich meine Einbildungskraft, durch die Feenmaͤhrchen ohne Zweifel genaͤhrt, neue Bilder und Jdeale. Diese Empfindungen machten mich sanft; ich wurde von Kindern, besonders den Maͤdchen des Orts, gern gesehen. Diesen sang ich ein Liedchen, so wie ich es von Maͤgden, in deren Gesellschaft ich oͤfters die Winterabende zubrachte, gelernt hatte; band ihnen Straͤuschen, steckte sie an ihren Busen, kuͤßte und neckte sie, doch in kindischer Unschuld! Auf Seiten mehrerer meiner Kameraden ging es aber nicht so unschuldig zu; wobei ich denn aber in meiner Einfalt und Unwissenheit kein Aergerniß nahm, da ich so oft Gelegenheit hatte, aͤhnliche wolluͤstige Scenen bei erwachsnen Juͤnglingen und Maͤdchen zu sehen, und also glauben mußte, es sei dieses nichts unrechtes. Einigemal gerieth meine Unschuld in Gesellschaft uͤppiger Maͤdchen in nicht geringe Gefahr. Jch trug eines Tags einer Arbeitsfrau, Magd und noch einem fuͤnfzehnjaͤhrigen Maͤdchen Mittagsessen aufs Feld; zur Dankbarkeit machten sie sich uͤber mich her, legten mich auf die Erde, und waren im Begriff noch mehr zu thun, haͤtte ich mich nicht noch losgerissen. Jch ergriff voll Wuth einen Knittel,
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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