Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Jm Folgenden führt er einige Träume an, die richtig eingetroffen sind, und wobei er die wahre Bemerkung macht, daß eine Präscienz der menschlichen Seele durchaus etwas Unerklärbares sei, indem man darin nichts anträfe, ans welchem man den Schluß machen könne, daß sie eine natürliche Kraft habe, zu weissagen und zukünftige NB zufällige Dinge vorher zu wissen. Eine solche Präscienz, sagt er vorher mit Recht, kann nicht einmahl in Gott a priori demonstrirt werden, sondern nur a posteriori, und aus dem absurdo, so auf Seiten Gottes daraus fließen würde, daferne man solche läugnen wollte. Das, wodurch sich das Leben unsers Hypochondristen mit am meisten auszeichnet, sind die schrecklichen Gewissensempfindungen über seine Jugendsünden*), die er aber nicht hat nennen wollen, und die Mittel, welche er oft auf die lächerlichste Weise angewandt hat, sich davon zu befreien. Verschiedenemahl haben ihn Stellen aus der Bibel, sogar einmahl auch das Lied eines Bettlers beruhigt; aber er wird doch immer wieder von neuem von seinen Seelenleiden befallen, bis er auf den Gedanken kommt, Gott ein Gelübde zu thun, und alle *) Man erräth leicht, daß es heimliche Sünden der Wollust gewesen sind.
Jm Folgenden fuͤhrt er einige Traͤume an, die richtig eingetroffen sind, und wobei er die wahre Bemerkung macht, daß eine Praͤscienz der menschlichen Seele durchaus etwas Unerklaͤrbares sei, indem man darin nichts antraͤfe, ans welchem man den Schluß machen koͤnne, daß sie eine natuͤrliche Kraft habe, zu weissagen und zukuͤnftige NB zufaͤllige Dinge vorher zu wissen. Eine solche Praͤscienz, sagt er vorher mit Recht, kann nicht einmahl in Gott a priori demonstrirt werden, sondern nur a posteriori, und aus dem absurdo, so auf Seiten Gottes daraus fließen wuͤrde, daferne man solche laͤugnen wollte. Das, wodurch sich das Leben unsers Hypochondristen mit am meisten auszeichnet, sind die schrecklichen Gewissensempfindungen uͤber seine Jugendsuͤnden*), die er aber nicht hat nennen wollen, und die Mittel, welche er oft auf die laͤcherlichste Weise angewandt hat, sich davon zu befreien. Verschiedenemahl haben ihn Stellen aus der Bibel, sogar einmahl auch das Lied eines Bettlers beruhigt; aber er wird doch immer wieder von neuem von seinen Seelenleiden befallen, bis er auf den Gedanken kommt, Gott ein Geluͤbde zu thun, und alle *) Man erraͤth leicht, daß es heimliche Suͤnden der Wollust gewesen sind.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0113" n="111"/><lb/> dem sie so so lange sind geaͤft worden, zu steuren, oder die Grundsaͤtze der Religion außer der Schrift auch noch durch die Erfahrung desto besser zu befestigen«.</p> <p>Jm Folgenden fuͤhrt er einige Traͤume an, die richtig eingetroffen sind, und wobei er die wahre Bemerkung macht, <hi rendition="#b">daß eine Praͤscienz der menschlichen Seele durchaus etwas Unerklaͤrbares sei, indem man darin nichts antraͤfe, ans welchem man den Schluß machen koͤnne, daß sie eine natuͤrliche Kraft habe, zu weissagen und zukuͤnftige</hi> <hi rendition="#aq">NB</hi> <hi rendition="#b">zufaͤllige Dinge vorher zu wissen.</hi> Eine solche Praͤscienz, sagt er vorher mit Recht, kann nicht einmahl in Gott <hi rendition="#i">a priori</hi> demonstrirt werden, sondern nur <hi rendition="#aq">a posteriori,</hi> und aus dem <hi rendition="#aq">absurdo,</hi> so auf Seiten Gottes daraus fließen wuͤrde, daferne man solche laͤugnen wollte.</p> <p>Das, wodurch sich das Leben unsers Hypochondristen mit am meisten auszeichnet, sind die schrecklichen <hi rendition="#b">Gewissensempfindungen uͤber seine Jugendsuͤnden</hi>*)<note place="foot"><p>*) Man erraͤth leicht, daß es heimliche Suͤnden der Wollust gewesen sind.</p></note>, die er aber nicht hat nennen wollen, und die Mittel, welche er oft auf die laͤcherlichste Weise angewandt hat, sich davon zu befreien. Verschiedenemahl haben ihn Stellen aus der Bibel, sogar einmahl auch das Lied eines Bettlers beruhigt; aber er wird doch immer wieder von neuem von seinen <choice><corr>Seelenleiden</corr><sic>Seelenliedern</sic></choice> befallen, bis er auf den Gedanken kommt, Gott ein Geluͤbde zu thun, und alle<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0113]
dem sie so so lange sind geaͤft worden, zu steuren, oder die Grundsaͤtze der Religion außer der Schrift auch noch durch die Erfahrung desto besser zu befestigen«.
Jm Folgenden fuͤhrt er einige Traͤume an, die richtig eingetroffen sind, und wobei er die wahre Bemerkung macht, daß eine Praͤscienz der menschlichen Seele durchaus etwas Unerklaͤrbares sei, indem man darin nichts antraͤfe, ans welchem man den Schluß machen koͤnne, daß sie eine natuͤrliche Kraft habe, zu weissagen und zukuͤnftige NB zufaͤllige Dinge vorher zu wissen. Eine solche Praͤscienz, sagt er vorher mit Recht, kann nicht einmahl in Gott a priori demonstrirt werden, sondern nur a posteriori, und aus dem absurdo, so auf Seiten Gottes daraus fließen wuͤrde, daferne man solche laͤugnen wollte.
Das, wodurch sich das Leben unsers Hypochondristen mit am meisten auszeichnet, sind die schrecklichen Gewissensempfindungen uͤber seine Jugendsuͤnden*) , die er aber nicht hat nennen wollen, und die Mittel, welche er oft auf die laͤcherlichste Weise angewandt hat, sich davon zu befreien. Verschiedenemahl haben ihn Stellen aus der Bibel, sogar einmahl auch das Lied eines Bettlers beruhigt; aber er wird doch immer wieder von neuem von seinen Seelenleiden befallen, bis er auf den Gedanken kommt, Gott ein Geluͤbde zu thun, und alle
*) Man erraͤth leicht, daß es heimliche Suͤnden der Wollust gewesen sind.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/113 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/113>, abgerufen am 16.07.2024. |