Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Es ist überhaupt durch unzählige Erfahrungen bewiesen, daß ohne eine innere Harmonie unserer Gedanken und Empfindungen, die sich entweder auf ihre eigentliche Natur, oder auf das Homogene ihres Ausdrucks, oder auf die Gleichartigkeit der Absichten gründen können, unsere Herzen keiner Sympathie fähig sind. Diese Harmonie, welche sich viel besser empfinden als beschreiben läßt, muß gleichsam von und durch sich selbst entstehen und unterhalten werden; sie kann oft das Werk eines glücklichen Zufalls seyn, in welchem zwei sanfte Seelen an einander stoßen, und gleichsam ohne allen Zwang als zwei vorher getrennte Wesen nun mit dem innigsten Gefühl des Wohlwollens in einander übergehen. Sobald wir sie zu erkünsteln suchen, sobald wir zu ihrem Daseyn nicht alles aus unserm Herzen schöpfen; sobald wir sie überhaupt allein zur Tochter der Vernunft machen, um ihre Rechte auf unser Herz zu bestimmen, sobald wird sie auch nicht mehr auf eine so leichte und bezaubernde Art die himmlischen Empfindungen einer gegenseitigen Theilnehmung in uns hervorbringen können, die so oft die süßesten Freuden des Lebens ausmachen. Das menschliche Herz ist hierinn so deli-
Es ist uͤberhaupt durch unzaͤhlige Erfahrungen bewiesen, daß ohne eine innere Harmonie unserer Gedanken und Empfindungen, die sich entweder auf ihre eigentliche Natur, oder auf das Homogene ihres Ausdrucks, oder auf die Gleichartigkeit der Absichten gruͤnden koͤnnen, unsere Herzen keiner Sympathie faͤhig sind. Diese Harmonie, welche sich viel besser empfinden als beschreiben laͤßt, muß gleichsam von und durch sich selbst entstehen und unterhalten werden; sie kann oft das Werk eines gluͤcklichen Zufalls seyn, in welchem zwei sanfte Seelen an einander stoßen, und gleichsam ohne allen Zwang als zwei vorher getrennte Wesen nun mit dem innigsten Gefuͤhl des Wohlwollens in einander uͤbergehen. Sobald wir sie zu erkuͤnsteln suchen, sobald wir zu ihrem Daseyn nicht alles aus unserm Herzen schoͤpfen; sobald wir sie uͤberhaupt allein zur Tochter der Vernunft machen, um ihre Rechte auf unser Herz zu bestimmen, sobald wird sie auch nicht mehr auf eine so leichte und bezaubernde Art die himmlischen Empfindungen einer gegenseitigen Theilnehmung in uns hervorbringen koͤnnen, die so oft die suͤßesten Freuden des Lebens ausmachen. Das menschliche Herz ist hierinn so deli- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0051" n="49"/><lb/> nuͤtzig dieses Gefuͤhl von <hi rendition="#b">Hutcheson</hi> vorgestellt worden ist, so wenig Nahrung findet es doch gemeiniglich da, wo es nicht durch irgend einen versteckten oder nicht versteckten Sporn der Eitelkeit gleichsam beseelt wird.</p> <p>Es ist uͤberhaupt durch unzaͤhlige Erfahrungen bewiesen, daß ohne eine innere Harmonie unserer Gedanken und Empfindungen, die sich entweder auf ihre eigentliche Natur, oder auf das Homogene ihres Ausdrucks, oder auf die Gleichartigkeit der Absichten gruͤnden koͤnnen, unsere Herzen keiner Sympathie faͤhig sind. Diese Harmonie, welche sich viel besser empfinden als beschreiben laͤßt, muß gleichsam von und durch sich selbst entstehen und unterhalten werden; sie kann oft das Werk eines gluͤcklichen Zufalls seyn, in welchem zwei sanfte Seelen an einander stoßen, und gleichsam ohne allen Zwang als zwei vorher getrennte Wesen nun mit dem innigsten Gefuͤhl des Wohlwollens in einander uͤbergehen. Sobald wir sie zu erkuͤnsteln suchen, sobald wir zu ihrem Daseyn nicht alles aus unserm Herzen schoͤpfen; sobald wir sie uͤberhaupt allein zur Tochter der Vernunft machen, um ihre Rechte auf unser Herz zu bestimmen, sobald wird sie auch nicht mehr auf eine so leichte und bezaubernde Art die himmlischen Empfindungen einer gegenseitigen Theilnehmung in uns hervorbringen koͤnnen, die so oft die suͤßesten Freuden des Lebens ausmachen. Das menschliche Herz ist hierinn so deli-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0051]
nuͤtzig dieses Gefuͤhl von Hutcheson vorgestellt worden ist, so wenig Nahrung findet es doch gemeiniglich da, wo es nicht durch irgend einen versteckten oder nicht versteckten Sporn der Eitelkeit gleichsam beseelt wird.
Es ist uͤberhaupt durch unzaͤhlige Erfahrungen bewiesen, daß ohne eine innere Harmonie unserer Gedanken und Empfindungen, die sich entweder auf ihre eigentliche Natur, oder auf das Homogene ihres Ausdrucks, oder auf die Gleichartigkeit der Absichten gruͤnden koͤnnen, unsere Herzen keiner Sympathie faͤhig sind. Diese Harmonie, welche sich viel besser empfinden als beschreiben laͤßt, muß gleichsam von und durch sich selbst entstehen und unterhalten werden; sie kann oft das Werk eines gluͤcklichen Zufalls seyn, in welchem zwei sanfte Seelen an einander stoßen, und gleichsam ohne allen Zwang als zwei vorher getrennte Wesen nun mit dem innigsten Gefuͤhl des Wohlwollens in einander uͤbergehen. Sobald wir sie zu erkuͤnsteln suchen, sobald wir zu ihrem Daseyn nicht alles aus unserm Herzen schoͤpfen; sobald wir sie uͤberhaupt allein zur Tochter der Vernunft machen, um ihre Rechte auf unser Herz zu bestimmen, sobald wird sie auch nicht mehr auf eine so leichte und bezaubernde Art die himmlischen Empfindungen einer gegenseitigen Theilnehmung in uns hervorbringen koͤnnen, die so oft die suͤßesten Freuden des Lebens ausmachen. Das menschliche Herz ist hierinn so deli-
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