Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.Wenn ich dann nachforschte: warum ist dein Gemüth so heiter, so freudig? warum hat Frölichkeit die Würkungen deines Elendes, die du erst unmittelbar in ihrer Betrachtung so betrübt, so schmerzlich fandest, besiegt? dann both sich die Empfindung dar: du kanst ja noch deinem Leiden entgehen, du kannst die unselige Quelle deines Leidens fliehen, und so ihre Würkungen auf deine Empfindung verhindern, du kannst weggehen, den Ort, die Verbindung verlassen, die der Grund deines Kummers sind; und dann wallte in mir ein verworrenes Entschlossenheitsgefühl auf, all' dieses zu thun, und diese unbekannte Entschlossenheit war die wohlthätige Hand, die jenes behagliche Wesen eines erleichterten Schicksals, jene Wollust in meine auflebende Seele goß. So war öfters mein Gemüthszustand auf den Schulen, und nur äußere Hindernisse, die damit verknüpft waren, hinderten die Würklichwerdung meines Vorsatzes. Oefters auch empfand ich diese erfrischende Wehungen in einem meiner letzten Verhältnisse, von dem ich am Schlusse dieses Aufsatzes etwas erwähnen werde; freylich wurden sie jetzt stärker und anhaltender, da sie meine nachherige Bestätigung fanden, und ich ihnen durch meine Gründe nachhalf. Andächtelei wurde nun der herrschende Ton bei dem Studenten in Sp..; ein Wesen, das Wenn ich dann nachforschte: warum ist dein Gemuͤth so heiter, so freudig? warum hat Froͤlichkeit die Wuͤrkungen deines Elendes, die du erst unmittelbar in ihrer Betrachtung so betruͤbt, so schmerzlich fandest, besiegt? dann both sich die Empfindung dar: du kanst ja noch deinem Leiden entgehen, du kannst die unselige Quelle deines Leidens fliehen, und so ihre Wuͤrkungen auf deine Empfindung verhindern, du kannst weggehen, den Ort, die Verbindung verlassen, die der Grund deines Kummers sind; und dann wallte in mir ein verworrenes Entschlossenheitsgefuͤhl auf, all' dieses zu thun, und diese unbekannte Entschlossenheit war die wohlthaͤtige Hand, die jenes behagliche Wesen eines erleichterten Schicksals, jene Wollust in meine auflebende Seele goß. So war oͤfters mein Gemuͤthszustand auf den Schulen, und nur aͤußere Hindernisse, die damit verknuͤpft waren, hinderten die Wuͤrklichwerdung meines Vorsatzes. Oefters auch empfand ich diese erfrischende Wehungen in einem meiner letzten Verhaͤltnisse, von dem ich am Schlusse dieses Aufsatzes etwas erwaͤhnen werde; freylich wurden sie jetzt staͤrker und anhaltender, da sie meine nachherige Bestaͤtigung fanden, und ich ihnen durch meine Gruͤnde nachhalf. Andaͤchtelei wurde nun der herrschende Ton bei dem Studenten in Sp..; ein Wesen, das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0118" n="118"/><lb/> <p>Wenn ich dann nachforschte: warum ist dein Gemuͤth so heiter, so freudig? warum hat Froͤlichkeit die Wuͤrkungen deines Elendes, die du erst unmittelbar in ihrer Betrachtung so betruͤbt, so schmerzlich fandest, besiegt? dann both sich die Empfindung dar: du kanst ja noch deinem Leiden entgehen, du kannst die unselige Quelle deines Leidens fliehen, und so ihre Wuͤrkungen auf deine Empfindung verhindern, du kannst weggehen, den Ort, die Verbindung verlassen, die der Grund deines Kummers sind; und dann wallte in mir ein verworrenes Entschlossenheitsgefuͤhl auf, all' dieses zu thun, und diese unbekannte Entschlossenheit war die wohlthaͤtige Hand, die jenes behagliche Wesen eines erleichterten Schicksals, jene Wollust in meine auflebende Seele goß.</p> <p>So war oͤfters mein Gemuͤthszustand auf den Schulen, und nur aͤußere Hindernisse, die damit verknuͤpft waren, hinderten die Wuͤrklichwerdung meines Vorsatzes. Oefters auch empfand ich diese erfrischende Wehungen in einem meiner letzten Verhaͤltnisse, von dem ich am Schlusse dieses Aufsatzes etwas erwaͤhnen werde; freylich wurden sie jetzt staͤrker und anhaltender, da sie meine nachherige Bestaͤtigung fanden, und ich ihnen durch meine Gruͤnde nachhalf.</p> <p><hi rendition="#b">Andaͤchtelei</hi> wurde nun der herrschende Ton bei dem Studenten in Sp..; ein Wesen, das<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0118]
Wenn ich dann nachforschte: warum ist dein Gemuͤth so heiter, so freudig? warum hat Froͤlichkeit die Wuͤrkungen deines Elendes, die du erst unmittelbar in ihrer Betrachtung so betruͤbt, so schmerzlich fandest, besiegt? dann both sich die Empfindung dar: du kanst ja noch deinem Leiden entgehen, du kannst die unselige Quelle deines Leidens fliehen, und so ihre Wuͤrkungen auf deine Empfindung verhindern, du kannst weggehen, den Ort, die Verbindung verlassen, die der Grund deines Kummers sind; und dann wallte in mir ein verworrenes Entschlossenheitsgefuͤhl auf, all' dieses zu thun, und diese unbekannte Entschlossenheit war die wohlthaͤtige Hand, die jenes behagliche Wesen eines erleichterten Schicksals, jene Wollust in meine auflebende Seele goß.
So war oͤfters mein Gemuͤthszustand auf den Schulen, und nur aͤußere Hindernisse, die damit verknuͤpft waren, hinderten die Wuͤrklichwerdung meines Vorsatzes. Oefters auch empfand ich diese erfrischende Wehungen in einem meiner letzten Verhaͤltnisse, von dem ich am Schlusse dieses Aufsatzes etwas erwaͤhnen werde; freylich wurden sie jetzt staͤrker und anhaltender, da sie meine nachherige Bestaͤtigung fanden, und ich ihnen durch meine Gruͤnde nachhalf.
Andaͤchtelei wurde nun der herrschende Ton bei dem Studenten in Sp..; ein Wesen, das
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