Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
Um dieselbe Zeit, da ich mich also auf den Tod bereitete, geschahe eben das, was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Gedanken bringen ließ, als wenn ich durch die Hand des Scharfrichters würde sterben müssen. Es war ohnedem vorher schon durch Einbildung des Todes wegen großer Leibesschwachheit mein Gewissen wegen aller Sünden, so ich jemahls begangen, wie bei Leuten, so da meinen, daß sie sterben werden, oft zu geschehen pflegt, dermaßen aufgewacht, so daß alle meine geringsten Fehler und andere Missethaten in der höchsten Größe mir vorkamen, und es nicht anders war, als ob ich erst jetzt von neuem Buße thäte. Ein recht merkwürdiger Umstand, den ich hier nicht kann vergessen mit anzuführen, war dieser: Hatte ich auf etliche Tage wegen Betrübniß meiner Sünden kaum schlafen können; so fing ich endlich an, Gottes
Um dieselbe Zeit, da ich mich also auf den Tod bereitete, geschahe eben das, was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Gedanken bringen ließ, als wenn ich durch die Hand des Scharfrichters wuͤrde sterben muͤssen. Es war ohnedem vorher schon durch Einbildung des Todes wegen großer Leibesschwachheit mein Gewissen wegen aller Suͤnden, so ich jemahls begangen, wie bei Leuten, so da meinen, daß sie sterben werden, oft zu geschehen pflegt, dermaßen aufgewacht, so daß alle meine geringsten Fehler und andere Missethaten in der hoͤchsten Groͤße mir vorkamen, und es nicht anders war, als ob ich erst jetzt von neuem Buße thaͤte. Ein recht merkwuͤrdiger Umstand, den ich hier nicht kann vergessen mit anzufuͤhren, war dieser: Hatte ich auf etliche Tage wegen Betruͤbniß meiner Suͤnden kaum schlafen koͤnnen; so fing ich endlich an, Gottes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/><lb/> auf dieselbe praͤpariren sollen; allein ich praͤparirte mich vielmehr auf meinen bevorstehenden Tod, weil ich wegen erschoͤpfter Kraͤfte des Leibes und Gemuͤths in der gaͤnzlichen Meinung stand, daß mich Gott diesmahl aus der Welt abhohlen werde; obgleich die Einbildung, von der Obrigkeit hingerichtet zu werden, bei mir vergangen war. Allein sie wurde bald darauf wieder in mir rege, da der Praͤsident des Consistorii in mein Suspensionsprotocoll die Worte mit einfließen lassen, daß ich Zeit genug habe mich auf meinen Tod, <hi rendition="#b">der gewiß nicht mehr ferne seyn koͤnne,</hi> zu praͤpariren. — —</p> <p>Um dieselbe Zeit, da ich mich also auf den Tod bereitete, geschahe eben das, was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Gedanken bringen ließ, als wenn ich durch die Hand des Scharfrichters wuͤrde sterben muͤssen. Es war ohnedem vorher schon durch Einbildung des Todes wegen großer Leibesschwachheit mein Gewissen wegen aller Suͤnden, so ich jemahls begangen, wie bei Leuten, so da meinen, daß sie sterben werden, oft zu geschehen pflegt, dermaßen aufgewacht, so daß alle meine geringsten Fehler und andere Missethaten in der hoͤchsten Groͤße mir vorkamen, und es nicht anders war, als ob ich erst jetzt von neuem Buße thaͤte. Ein recht merkwuͤrdiger Umstand, den ich hier nicht kann vergessen mit anzufuͤhren, war dieser: Hatte ich auf etliche Tage wegen Betruͤbniß meiner Suͤnden kaum schlafen koͤnnen; <hi rendition="#b">so fing ich endlich an, Gottes<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
auf dieselbe praͤpariren sollen; allein ich praͤparirte mich vielmehr auf meinen bevorstehenden Tod, weil ich wegen erschoͤpfter Kraͤfte des Leibes und Gemuͤths in der gaͤnzlichen Meinung stand, daß mich Gott diesmahl aus der Welt abhohlen werde; obgleich die Einbildung, von der Obrigkeit hingerichtet zu werden, bei mir vergangen war. Allein sie wurde bald darauf wieder in mir rege, da der Praͤsident des Consistorii in mein Suspensionsprotocoll die Worte mit einfließen lassen, daß ich Zeit genug habe mich auf meinen Tod, der gewiß nicht mehr ferne seyn koͤnne, zu praͤpariren. — —
Um dieselbe Zeit, da ich mich also auf den Tod bereitete, geschahe eben das, was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Gedanken bringen ließ, als wenn ich durch die Hand des Scharfrichters wuͤrde sterben muͤssen. Es war ohnedem vorher schon durch Einbildung des Todes wegen großer Leibesschwachheit mein Gewissen wegen aller Suͤnden, so ich jemahls begangen, wie bei Leuten, so da meinen, daß sie sterben werden, oft zu geschehen pflegt, dermaßen aufgewacht, so daß alle meine geringsten Fehler und andere Missethaten in der hoͤchsten Groͤße mir vorkamen, und es nicht anders war, als ob ich erst jetzt von neuem Buße thaͤte. Ein recht merkwuͤrdiger Umstand, den ich hier nicht kann vergessen mit anzufuͤhren, war dieser: Hatte ich auf etliche Tage wegen Betruͤbniß meiner Suͤnden kaum schlafen koͤnnen; so fing ich endlich an, Gottes
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