Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


gen, er gefiel dem Prediger täglich mehr, sie kamen öfter zusammen und unterhielten sich oft bis in die Nacht hinein von Kriegsgeschichten, davon jeder eine ziemliche Menge erzählen konnte.

Lorchen fand an der Gesellschaft des jungen Kriegers gleichfalls Behagen. Sie freute sich, wenn er kam, und war mißvergnügt, wenn er ging. Sie liebte ihn schon gewissermaßen, ehe sie es noch selbst recht wußte; oft wurde sie roth, wenn er ihr freundlich die Hand both, und er ging nie weg, ohne daß sie ihn, bald wieder zu kommen, eingeladen hätte. Die Liebe thut Riesenschritte, wenn sie nur erst einen gewagt hat, und fängt denn vollends pfeilschnell zu laufen an, wenn sie in dem geliebten Gegenstande gleiche Empfindungen gewahr wird. Der junge Reiter konnte dem holden Mädchen nicht widerstehen, sein Herz war ohnedem zur Liebe geschaffen, und in kurzer Zeit hatten sich ihre Herzen laut für einander erklärt, ohne daß die Eltern ein Wort davon erfuhren. Lorchen besorgte, daß ihre Eltern nicht mit ihrer Neigung zufrieden seyn würden, sie hatte nicht den Muth das Jnnere ihres Herzens zu zeigen, und sie beging dadurch das erstemahl einen fast unverzeihlichen Fehler des Mißtrauens gegen diejenigen, an welchen bisher ihr ganzes Herz gehangen hatte.

Da die Liebe der beiden jungen Leute unschuldig war, so verbanden sie sich unter einander zu einem Eheversprechen, welches von der ganzen Stärke ihrer zärtlichen Empfindungen zeigte, und mehr als


gen, er gefiel dem Prediger taͤglich mehr, sie kamen oͤfter zusammen und unterhielten sich oft bis in die Nacht hinein von Kriegsgeschichten, davon jeder eine ziemliche Menge erzaͤhlen konnte.

Lorchen fand an der Gesellschaft des jungen Kriegers gleichfalls Behagen. Sie freute sich, wenn er kam, und war mißvergnuͤgt, wenn er ging. Sie liebte ihn schon gewissermaßen, ehe sie es noch selbst recht wußte; oft wurde sie roth, wenn er ihr freundlich die Hand both, und er ging nie weg, ohne daß sie ihn, bald wieder zu kommen, eingeladen haͤtte. Die Liebe thut Riesenschritte, wenn sie nur erst einen gewagt hat, und faͤngt denn vollends pfeilschnell zu laufen an, wenn sie in dem geliebten Gegenstande gleiche Empfindungen gewahr wird. Der junge Reiter konnte dem holden Maͤdchen nicht widerstehen, sein Herz war ohnedem zur Liebe geschaffen, und in kurzer Zeit hatten sich ihre Herzen laut fuͤr einander erklaͤrt, ohne daß die Eltern ein Wort davon erfuhren. Lorchen besorgte, daß ihre Eltern nicht mit ihrer Neigung zufrieden seyn wuͤrden, sie hatte nicht den Muth das Jnnere ihres Herzens zu zeigen, und sie beging dadurch das erstemahl einen fast unverzeihlichen Fehler des Mißtrauens gegen diejenigen, an welchen bisher ihr ganzes Herz gehangen hatte.

Da die Liebe der beiden jungen Leute unschuldig war, so verbanden sie sich unter einander zu einem Eheversprechen, welches von der ganzen Staͤrke ihrer zaͤrtlichen Empfindungen zeigte, und mehr als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0049" n="49"/><lb/>
gen, er gefiel                   dem Prediger ta&#x0364;glich mehr, sie kamen o&#x0364;fter zusammen und unterhielten sich oft bis                   in die Nacht hinein von Kriegsgeschichten, davon jeder eine ziemliche Menge                   erza&#x0364;hlen konnte.</p>
            <p>Lorchen fand an der Gesellschaft des jungen Kriegers gleichfalls Behagen. Sie                   freute sich, wenn er kam, und war mißvergnu&#x0364;gt, wenn er ging. Sie liebte ihn schon                   gewissermaßen, ehe sie es noch selbst recht wußte; oft wurde sie roth, wenn er ihr                   freundlich die Hand both, und er ging nie weg, ohne daß sie ihn, bald wieder zu                   kommen, eingeladen ha&#x0364;tte. Die Liebe thut Riesenschritte, wenn sie nur erst einen                   gewagt hat, und fa&#x0364;ngt denn vollends pfeilschnell zu laufen an, wenn sie in dem                   geliebten Gegenstande gleiche Empfindungen gewahr wird. Der junge Reiter konnte                   dem holden Ma&#x0364;dchen nicht widerstehen, sein Herz war ohnedem zur Liebe geschaffen,                   und in kurzer Zeit hatten sich ihre Herzen laut fu&#x0364;r einander erkla&#x0364;rt, ohne daß die                   Eltern ein Wort davon erfuhren. Lorchen besorgte, daß ihre Eltern nicht mit ihrer                   Neigung zufrieden seyn wu&#x0364;rden, sie hatte nicht den Muth das Jnnere ihres Herzens                   zu zeigen, und sie beging dadurch das erstemahl einen fast unverzeihlichen Fehler                   des Mißtrauens gegen diejenigen, an welchen bisher ihr ganzes Herz gehangen                   hatte.</p>
            <p>Da die Liebe der beiden jungen Leute unschuldig war, so verbanden sie sich unter                   einander zu einem Eheversprechen, welches von der ganzen Sta&#x0364;rke ihrer za&#x0364;rtlichen                   Empfindungen zeigte, und mehr als<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0049] gen, er gefiel dem Prediger taͤglich mehr, sie kamen oͤfter zusammen und unterhielten sich oft bis in die Nacht hinein von Kriegsgeschichten, davon jeder eine ziemliche Menge erzaͤhlen konnte. Lorchen fand an der Gesellschaft des jungen Kriegers gleichfalls Behagen. Sie freute sich, wenn er kam, und war mißvergnuͤgt, wenn er ging. Sie liebte ihn schon gewissermaßen, ehe sie es noch selbst recht wußte; oft wurde sie roth, wenn er ihr freundlich die Hand both, und er ging nie weg, ohne daß sie ihn, bald wieder zu kommen, eingeladen haͤtte. Die Liebe thut Riesenschritte, wenn sie nur erst einen gewagt hat, und faͤngt denn vollends pfeilschnell zu laufen an, wenn sie in dem geliebten Gegenstande gleiche Empfindungen gewahr wird. Der junge Reiter konnte dem holden Maͤdchen nicht widerstehen, sein Herz war ohnedem zur Liebe geschaffen, und in kurzer Zeit hatten sich ihre Herzen laut fuͤr einander erklaͤrt, ohne daß die Eltern ein Wort davon erfuhren. Lorchen besorgte, daß ihre Eltern nicht mit ihrer Neigung zufrieden seyn wuͤrden, sie hatte nicht den Muth das Jnnere ihres Herzens zu zeigen, und sie beging dadurch das erstemahl einen fast unverzeihlichen Fehler des Mißtrauens gegen diejenigen, an welchen bisher ihr ganzes Herz gehangen hatte. Da die Liebe der beiden jungen Leute unschuldig war, so verbanden sie sich unter einander zu einem Eheversprechen, welches von der ganzen Staͤrke ihrer zaͤrtlichen Empfindungen zeigte, und mehr als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/49
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/49>, abgerufen am 21.11.2024.