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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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glücklich seyn, ohne daß man es weiß, scheint mir allerdings mit einander zu streiten. Jst es möglich, daß die Seele, so lange der Leib schläft, ihre Gedanken, ihre Freuden oder Bekümmernisse, ihr Vergnügen oder ihren Verdruß für sich besonders haben kann, ohne daß sich der Mensch dessen bewußt ist, so ist gewiß, daß der wachende Socrates und der schlafende Socrates nicht eben dieselbe Person ausmachen; sondern die Seele des Socrates, wenn er schläft und wenn er wacht, sind zwei Personen, weil der wachende Socrates von der Glückseligkeit oder von dem Verdruß seiner Seele keine Kenntniß hat, oder sich nicht darum bekümmert. Seine Seele empfindet jene, und trägt diesen für sich allein, so lange er schläft, ohne daß er etwas davon fühlt. Es ist ihm daran nicht mehr gelegen, als an der Glückseligkeit oder dem Elende eines Menschen in Jndien, den er nicht kennt. -- Denn nehmen wir von unsern Handlungen und Empfindungen, insonderheit von dem Vergnügen und Verdruße alles Bewußtseyn weg; so werden wir schwerlich wissen, worin die persönliche Einerleiheit (personal Identity.) zu setzen sey. (Die bekannte Eintheilung unsrer Empfindungen in angenehme und unangenehme, und der daraus entspringenden Seelenzustände, Glückseligkeit oder Unglückseligkeit ist -- eine Eintheilung, die nicht erschöpfend genug ist. Es giebt unzählige Vorstellungen in uns, die nicht unter obige Rubrik gehören, und von denen wir


gluͤcklich seyn, ohne daß man es weiß, scheint mir allerdings mit einander zu streiten. Jst es moͤglich, daß die Seele, so lange der Leib schlaͤft, ihre Gedanken, ihre Freuden oder Bekuͤmmernisse, ihr Vergnuͤgen oder ihren Verdruß fuͤr sich besonders haben kann, ohne daß sich der Mensch dessen bewußt ist, so ist gewiß, daß der wachende Socrates und der schlafende Socrates nicht eben dieselbe Person ausmachen; sondern die Seele des Socrates, wenn er schlaͤft und wenn er wacht, sind zwei Personen, weil der wachende Socrates von der Gluͤckseligkeit oder von dem Verdruß seiner Seele keine Kenntniß hat, oder sich nicht darum bekuͤmmert. Seine Seele empfindet jene, und traͤgt diesen fuͤr sich allein, so lange er schlaͤft, ohne daß er etwas davon fuͤhlt. Es ist ihm daran nicht mehr gelegen, als an der Gluͤckseligkeit oder dem Elende eines Menschen in Jndien, den er nicht kennt. — Denn nehmen wir von unsern Handlungen und Empfindungen, insonderheit von dem Vergnuͤgen und Verdruße alles Bewußtseyn weg; so werden wir schwerlich wissen, worin die persoͤnliche Einerleiheit (personal Identity.) zu setzen sey. (Die bekannte Eintheilung unsrer Empfindungen in angenehme und unangenehme, und der daraus entspringenden Seelenzustaͤnde, Gluͤckseligkeit oder Ungluͤckseligkeit ist — eine Eintheilung, die nicht erschoͤpfend genug ist. Es giebt unzaͤhlige Vorstellungen in uns, die nicht unter obige Rubrik gehoͤren, und von denen wir

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[71/0071] gluͤcklich seyn, ohne daß man es weiß, scheint mir allerdings mit einander zu streiten. Jst es moͤglich, daß die Seele, so lange der Leib schlaͤft, ihre Gedanken, ihre Freuden oder Bekuͤmmernisse, ihr Vergnuͤgen oder ihren Verdruß fuͤr sich besonders haben kann, ohne daß sich der Mensch dessen bewußt ist, so ist gewiß, daß der wachende Socrates und der schlafende Socrates nicht eben dieselbe Person ausmachen; sondern die Seele des Socrates, wenn er schlaͤft und wenn er wacht, sind zwei Personen, weil der wachende Socrates von der Gluͤckseligkeit oder von dem Verdruß seiner Seele keine Kenntniß hat, oder sich nicht darum bekuͤmmert. Seine Seele empfindet jene, und traͤgt diesen fuͤr sich allein, so lange er schlaͤft, ohne daß er etwas davon fuͤhlt. Es ist ihm daran nicht mehr gelegen, als an der Gluͤckseligkeit oder dem Elende eines Menschen in Jndien, den er nicht kennt. — Denn nehmen wir von unsern Handlungen und Empfindungen, insonderheit von dem Vergnuͤgen und Verdruße alles Bewußtseyn weg; so werden wir schwerlich wissen, worin die persoͤnliche Einerleiheit (personal Identity.) zu setzen sey. (Die bekannte Eintheilung unsrer Empfindungen in angenehme und unangenehme, und der daraus entspringenden Seelenzustaͤnde, Gluͤckseligkeit oder Ungluͤckseligkeit ist — eine Eintheilung, die nicht erschoͤpfend genug ist. Es giebt unzaͤhlige Vorstellungen in uns, die nicht unter obige Rubrik gehoͤren, und von denen wir

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/71>, abgerufen am 24.11.2024.