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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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nen, um es von andern zu unterscheiden, und im Fall der Noth rufen zu können. Diese ersten Nomina propria kamen wahrscheinlich zuerst von einer hervorstechenden Eigenschaft des Gemüths, oder von einem besondern Umstande der Geburt des Kindes her. Aber die Mutter will es nicht blos nennen, sie will ihm seine Liebe zu erkennen geben, und bedient sich der Naturausdrücke der mütterlichen Zärtlichkeit, welche eine ganz besondere Art der Naturlaute sind, und sich durch eine sanfte Milderung der Stimme auszeichnen. Sie giebt dem Kinde Namen von Gegenständen, die ihr sonst schon angenehm waren, sie führt ihm Sachen, Thiere vor, und macht die Stimme derselben nach, um sie zu unterscheiden, und erweitert dadurch nicht nur den Jdeenkreis des Kindes, sondern auch sein Sprachbedürfniß.

Abstracte Wörter für alle dergleichen zärtliche Empfindungen bildet die Seele wiederum durch Reflexion, so wie die für den übrigen großen Theil abstracter Kenntnisse, deren Ursprung aber ohnmöglich individuell angegeben werden kann. Der allgemeine wahrscheinliche Weg, den die menschliche Seele hierbei nimmt, ist wohl der, daß sie wegen einer bemerkten Aehnlichkeit zwischen einzelnen und körperlichen Gegenständen den Wortausdruck derselben auf geistige hinüberträgt, und also das Uebersinnliche anfangs selbst unter einem Bilde ausdrückt. Alle alte Sprachen wim-


nen, um es von andern zu unterscheiden, und im Fall der Noth rufen zu koͤnnen. Diese ersten Nomina propria kamen wahrscheinlich zuerst von einer hervorstechenden Eigenschaft des Gemuͤths, oder von einem besondern Umstande der Geburt des Kindes her. Aber die Mutter will es nicht blos nennen, sie will ihm seine Liebe zu erkennen geben, und bedient sich der Naturausdruͤcke der muͤtterlichen Zaͤrtlichkeit, welche eine ganz besondere Art der Naturlaute sind, und sich durch eine sanfte Milderung der Stimme auszeichnen. Sie giebt dem Kinde Namen von Gegenstaͤnden, die ihr sonst schon angenehm waren, sie fuͤhrt ihm Sachen, Thiere vor, und macht die Stimme derselben nach, um sie zu unterscheiden, und erweitert dadurch nicht nur den Jdeenkreis des Kindes, sondern auch sein Sprachbeduͤrfniß.

Abstracte Woͤrter fuͤr alle dergleichen zaͤrtliche Empfindungen bildet die Seele wiederum durch Reflexion, so wie die fuͤr den uͤbrigen großen Theil abstracter Kenntnisse, deren Ursprung aber ohnmoͤglich individuell angegeben werden kann. Der allgemeine wahrscheinliche Weg, den die menschliche Seele hierbei nimmt, ist wohl der, daß sie wegen einer bemerkten Aehnlichkeit zwischen einzelnen und koͤrperlichen Gegenstaͤnden den Wortausdruck derselben auf geistige hinuͤbertraͤgt, und also das Uebersinnliche anfangs selbst unter einem Bilde ausdruͤckt. Alle alte Sprachen wim-

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[87/0087] nen, um es von andern zu unterscheiden, und im Fall der Noth rufen zu koͤnnen. Diese ersten Nomina propria kamen wahrscheinlich zuerst von einer hervorstechenden Eigenschaft des Gemuͤths, oder von einem besondern Umstande der Geburt des Kindes her. Aber die Mutter will es nicht blos nennen, sie will ihm seine Liebe zu erkennen geben, und bedient sich der Naturausdruͤcke der muͤtterlichen Zaͤrtlichkeit, welche eine ganz besondere Art der Naturlaute sind, und sich durch eine sanfte Milderung der Stimme auszeichnen. Sie giebt dem Kinde Namen von Gegenstaͤnden, die ihr sonst schon angenehm waren, sie fuͤhrt ihm Sachen, Thiere vor, und macht die Stimme derselben nach, um sie zu unterscheiden, und erweitert dadurch nicht nur den Jdeenkreis des Kindes, sondern auch sein Sprachbeduͤrfniß. Abstracte Woͤrter fuͤr alle dergleichen zaͤrtliche Empfindungen bildet die Seele wiederum durch Reflexion, so wie die fuͤr den uͤbrigen großen Theil abstracter Kenntnisse, deren Ursprung aber ohnmoͤglich individuell angegeben werden kann. Der allgemeine wahrscheinliche Weg, den die menschliche Seele hierbei nimmt, ist wohl der, daß sie wegen einer bemerkten Aehnlichkeit zwischen einzelnen und koͤrperlichen Gegenstaͤnden den Wortausdruck derselben auf geistige hinuͤbertraͤgt, und also das Uebersinnliche anfangs selbst unter einem Bilde ausdruͤckt. Alle alte Sprachen wim-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/87>, abgerufen am 09.11.2024.