Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.Jm 1ten Bandes 1ten Stück Seite 344 wird aus einem Tagebuche (den 18ten Sept. 1780) Folgendes angeführt: "Ein unbedeutender, höchst uninteressanter Ausdruck aus einer Arie in einer Operette, den ich selbst nur vor ein Paar Tagen von einem guten Freunde hörte, welcher ihn sich zu wiederholtenmalen aus Langerweile vorsang, kam mir heute Nachmittag, während dem ernsthaftesten Nachdenken, alle Augenblicke, wider meinen Willen, in den Sinn, und ich konnte mich nicht enthalten, ihn mir ebenfalls zu wiederholtenmalen vorzusingen, ohne den mindesten Gefallen daran zu finden" u.s.w. Wer genau auf sich Acht giebt, wird ähnliche Erfahrungen an sich machen können. Es geschieht nämlich oft, daß uns ein gewisser Ausdruck, ein gewisser Ton der Stimme gleichsam so fest in der Seele sitzt, daß wir ihn mit aller Mühe nicht wieder wegbringen können, -- ja, daß er durch das Bestreben, ihn zu entfernen, oft noch stärker in uns tönt. Die Ursach von dieser innern starken und bleibenden Jmpression liegt, wie im erzählten Fall, nicht immer an der Wichtigkeit und Größe des Gegenstandes, oder Gedankens, der ausgedruckt wird, sondern sehr oft wohl darin, daß bey der allerersten Jmpression die Seele ganz müßig und unthätig war, und jene, da sie von keinen Nebenideen verwischt, oder auch geschwächt wurde, desto tiefer in unser Gehirn eindringen Jm 1ten Bandes 1ten Stuͤck Seite 344 wird aus einem Tagebuche (den 18ten Sept. 1780) Folgendes angefuͤhrt: »Ein unbedeutender, hoͤchst uninteressanter Ausdruck aus einer Arie in einer Operette, den ich selbst nur vor ein Paar Tagen von einem guten Freunde hoͤrte, welcher ihn sich zu wiederholtenmalen aus Langerweile vorsang, kam mir heute Nachmittag, waͤhrend dem ernsthaftesten Nachdenken, alle Augenblicke, wider meinen Willen, in den Sinn, und ich konnte mich nicht enthalten, ihn mir ebenfalls zu wiederholtenmalen vorzusingen, ohne den mindesten Gefallen daran zu finden« u.s.w. Wer genau auf sich Acht giebt, wird aͤhnliche Erfahrungen an sich machen koͤnnen. Es geschieht naͤmlich oft, daß uns ein gewisser Ausdruck, ein gewisser Ton der Stimme gleichsam so fest in der Seele sitzt, daß wir ihn mit aller Muͤhe nicht wieder wegbringen koͤnnen, — ja, daß er durch das Bestreben, ihn zu entfernen, oft noch staͤrker in uns toͤnt. Die Ursach von dieser innern starken und bleibenden Jmpression liegt, wie im erzaͤhlten Fall, nicht immer an der Wichtigkeit und Groͤße des Gegenstandes, oder Gedankens, der ausgedruckt wird, sondern sehr oft wohl darin, daß bey der allerersten Jmpression die Seele ganz muͤßig und unthaͤtig war, und jene, da sie von keinen Nebenideen verwischt, oder auch geschwaͤcht wurde, desto tiefer in unser Gehirn eindringen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0002" n="2"/><lb/> <p>Jm 1ten Bandes 1ten Stuͤck Seite 344 wird aus einem Tagebuche (den 18ten Sept. 1780) Folgendes angefuͤhrt: »Ein unbedeutender, hoͤchst uninteressanter Ausdruck aus einer Arie in einer Operette, den ich selbst nur vor ein Paar Tagen von einem guten Freunde hoͤrte, welcher ihn sich zu wiederholtenmalen aus Langerweile vorsang, kam mir heute Nachmittag, waͤhrend dem ernsthaftesten Nachdenken, alle Augenblicke, wider meinen Willen, in den Sinn, und ich konnte mich nicht enthalten, ihn mir ebenfalls zu wiederholtenmalen vorzusingen, ohne den mindesten Gefallen daran zu finden« u.s.w.</p> <p>Wer genau auf sich Acht giebt, wird aͤhnliche Erfahrungen an sich machen koͤnnen. Es geschieht naͤmlich oft, daß uns ein gewisser Ausdruck, ein gewisser Ton der Stimme gleichsam so fest in der Seele sitzt, daß wir ihn mit aller Muͤhe nicht wieder wegbringen koͤnnen, — ja, daß er durch das Bestreben, ihn zu entfernen, oft noch staͤrker in uns toͤnt. Die Ursach von dieser innern starken und bleibenden Jmpression liegt, wie im erzaͤhlten Fall, nicht immer an der Wichtigkeit und Groͤße des Gegenstandes, oder Gedankens, der ausgedruckt wird, sondern sehr oft wohl darin, daß <hi rendition="#b">bey der allerersten Jmpression die Seele ganz muͤßig und unthaͤtig war, und jene, da sie von keinen Nebenideen verwischt, oder auch geschwaͤcht wurde, desto tiefer in unser Gehirn eindringen<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Jm 1ten Bandes 1ten Stuͤck Seite 344 wird aus einem Tagebuche (den 18ten Sept. 1780) Folgendes angefuͤhrt: »Ein unbedeutender, hoͤchst uninteressanter Ausdruck aus einer Arie in einer Operette, den ich selbst nur vor ein Paar Tagen von einem guten Freunde hoͤrte, welcher ihn sich zu wiederholtenmalen aus Langerweile vorsang, kam mir heute Nachmittag, waͤhrend dem ernsthaftesten Nachdenken, alle Augenblicke, wider meinen Willen, in den Sinn, und ich konnte mich nicht enthalten, ihn mir ebenfalls zu wiederholtenmalen vorzusingen, ohne den mindesten Gefallen daran zu finden« u.s.w.
Wer genau auf sich Acht giebt, wird aͤhnliche Erfahrungen an sich machen koͤnnen. Es geschieht naͤmlich oft, daß uns ein gewisser Ausdruck, ein gewisser Ton der Stimme gleichsam so fest in der Seele sitzt, daß wir ihn mit aller Muͤhe nicht wieder wegbringen koͤnnen, — ja, daß er durch das Bestreben, ihn zu entfernen, oft noch staͤrker in uns toͤnt. Die Ursach von dieser innern starken und bleibenden Jmpression liegt, wie im erzaͤhlten Fall, nicht immer an der Wichtigkeit und Groͤße des Gegenstandes, oder Gedankens, der ausgedruckt wird, sondern sehr oft wohl darin, daß bey der allerersten Jmpression die Seele ganz muͤßig und unthaͤtig war, und jene, da sie von keinen Nebenideen verwischt, oder auch geschwaͤcht wurde, desto tiefer in unser Gehirn eindringen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |