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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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Herzens schließt; die herablassende, gefällige, herzliche Manier zu belehren, zu unterrichten, zu recht zu weisen; der hinreißende Ausdruck des Mitleidens, den sie gegen Verirrte, gegen sinnlich Lasterhafte selbst an den Tag legen; die Wahl ihrer Bilder, die leichte Versinnlichung der Religionswahrheiten, das beständige Hinweisen auf freudige Gefühle des Glaubens, die schlaue Accommodirung ihres ganzen Betragens, Denkens und Handelns nach der Phantasie ihrer Zuhörer, -- alles dies schließt den Schwärmern leicht die Herzen der Menschen auf, und diese Herzen sind oft eher gefangen, als sie es noch glauben. Solchen guten gesalbten Menschen entdeckt man gern seine Gemüthsunruhen, um von ihnen als heiligen Propheten Gottes Ruhe und Tröstung zu erhalten. Man schenkt ihnen sein Zutrauen, weil sie es vor allen andern zu verdienen scheinen, und mit diesem bekommen sie gleichsam unser ganzes Herz in ihre Hände. Es kann nicht fehlen, daß ein empfindsamer Mensch nach einigem Umgang mit solchen Schwärmern, oder auch nur mit ihren Schriften oder Briefen eine gewisse Behaglichkeit in sich wahrnehmen muß, die ihm die Gültigkeit ihrer Jdeen ausser Zweifel setzt. Der Angesteckte nimmt Bewegungen des Herzens, Empfindungen in sich wahr, die er vorher nie kannte. Er fängt an in sich selbst hinein zu schauen -- und das, was freylich nur eine Aufwallung des Bluts, oder eine Täuschung der Phantasie war, für Würkungen einer


Herzens schließt; die herablassende, gefaͤllige, herzliche Manier zu belehren, zu unterrichten, zu recht zu weisen; der hinreißende Ausdruck des Mitleidens, den sie gegen Verirrte, gegen sinnlich Lasterhafte selbst an den Tag legen; die Wahl ihrer Bilder, die leichte Versinnlichung der Religionswahrheiten, das bestaͤndige Hinweisen auf freudige Gefuͤhle des Glaubens, die schlaue Accommodirung ihres ganzen Betragens, Denkens und Handelns nach der Phantasie ihrer Zuhoͤrer, — alles dies schließt den Schwaͤrmern leicht die Herzen der Menschen auf, und diese Herzen sind oft eher gefangen, als sie es noch glauben. Solchen guten gesalbten Menschen entdeckt man gern seine Gemuͤthsunruhen, um von ihnen als heiligen Propheten Gottes Ruhe und Troͤstung zu erhalten. Man schenkt ihnen sein Zutrauen, weil sie es vor allen andern zu verdienen scheinen, und mit diesem bekommen sie gleichsam unser ganzes Herz in ihre Haͤnde. Es kann nicht fehlen, daß ein empfindsamer Mensch nach einigem Umgang mit solchen Schwaͤrmern, oder auch nur mit ihren Schriften oder Briefen eine gewisse Behaglichkeit in sich wahrnehmen muß, die ihm die Guͤltigkeit ihrer Jdeen ausser Zweifel setzt. Der Angesteckte nimmt Bewegungen des Herzens, Empfindungen in sich wahr, die er vorher nie kannte. Er faͤngt an in sich selbst hinein zu schauen — und das, was freylich nur eine Aufwallung des Bluts, oder eine Taͤuschung der Phantasie war, fuͤr Wuͤrkungen einer

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[46/0046] Herzens schließt; die herablassende, gefaͤllige, herzliche Manier zu belehren, zu unterrichten, zu recht zu weisen; der hinreißende Ausdruck des Mitleidens, den sie gegen Verirrte, gegen sinnlich Lasterhafte selbst an den Tag legen; die Wahl ihrer Bilder, die leichte Versinnlichung der Religionswahrheiten, das bestaͤndige Hinweisen auf freudige Gefuͤhle des Glaubens, die schlaue Accommodirung ihres ganzen Betragens, Denkens und Handelns nach der Phantasie ihrer Zuhoͤrer, — alles dies schließt den Schwaͤrmern leicht die Herzen der Menschen auf, und diese Herzen sind oft eher gefangen, als sie es noch glauben. Solchen guten gesalbten Menschen entdeckt man gern seine Gemuͤthsunruhen, um von ihnen als heiligen Propheten Gottes Ruhe und Troͤstung zu erhalten. Man schenkt ihnen sein Zutrauen, weil sie es vor allen andern zu verdienen scheinen, und mit diesem bekommen sie gleichsam unser ganzes Herz in ihre Haͤnde. Es kann nicht fehlen, daß ein empfindsamer Mensch nach einigem Umgang mit solchen Schwaͤrmern, oder auch nur mit ihren Schriften oder Briefen eine gewisse Behaglichkeit in sich wahrnehmen muß, die ihm die Guͤltigkeit ihrer Jdeen ausser Zweifel setzt. Der Angesteckte nimmt Bewegungen des Herzens, Empfindungen in sich wahr, die er vorher nie kannte. Er faͤngt an in sich selbst hinein zu schauen — und das, was freylich nur eine Aufwallung des Bluts, oder eine Taͤuschung der Phantasie war, fuͤr Wuͤrkungen einer

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/46>, abgerufen am 21.11.2024.