Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.
b) Wir beneiden dem andern Geschlecht seine Vorzüge nicht; aber desto stärker beneiden sich Frauenzimmer unter einander. Die Vorzüge des andern Geschlechts kommen wieder mit den unsrigen nicht so oft in Collision, als die der Männer; -- wir wünschen sie auch nicht besonders sehr, und sie würden sich nicht einmal immer für unser Geschlecht passen. Hiezu kommt ein uns gewissermaßen angebornes Gefühl von Superiorität, welches durch unsere Geschäftsart, durch körperliche Kräfte, durch Kunst- und Wissenschaftsfleiß noch mehr unterhalten wird, -- ferner auch jenes zärtliche Jnteresse, welches wir an den Schicksalen und Wünschen des andern Geschlechts vermöge der Einrichtung unsrer Natur nehmen, wodurch den Empfindungen des Neides entgegengearbeitet wird. Auffallend ist die Heftigkeit dieser Leidenschaft bey Frauenzimmern wegen der Lebhaftigkeit ihrer
b) Wir beneiden dem andern Geschlecht seine Vorzuͤge nicht; aber desto staͤrker beneiden sich Frauenzimmer unter einander. Die Vorzuͤge des andern Geschlechts kommen wieder mit den unsrigen nicht so oft in Collision, als die der Maͤnner; — wir wuͤnschen sie auch nicht besonders sehr, und sie wuͤrden sich nicht einmal immer fuͤr unser Geschlecht passen. Hiezu kommt ein uns gewissermaßen angebornes Gefuͤhl von Superioritaͤt, welches durch unsere Geschaͤftsart, durch koͤrperliche Kraͤfte, durch Kunst- und Wissenschaftsfleiß noch mehr unterhalten wird, — ferner auch jenes zaͤrtliche Jnteresse, welches wir an den Schicksalen und Wuͤnschen des andern Geschlechts vermoͤge der Einrichtung unsrer Natur nehmen, wodurch den Empfindungen des Neides entgegengearbeitet wird. Auffallend ist die Heftigkeit dieser Leidenschaft bey Frauenzimmern wegen der Lebhaftigkeit ihrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0065" n="65"/><lb/> naͤhere Bekanntschaft mit der Person des Beneideten, und die <hi rendition="#b">Furcht,</hi> daß er mir wohl Abbruch thun koͤnne. Versetzt den Gluͤcklichen in einen Ort, wo ich ihn nicht zu kennen Gelegenheit habe, so viel mir auch von seinen Vorzuͤgen vor erzaͤhlt werden mag; oder entfernt ihn einige hundert Meilen von mir, daß mir seine Gegenwart nicht mehr im Wege steht, und mein ganzer Neid wird aufhoͤren, wenn auch jener Gluͤckliche an dem andern Orte noch viel gluͤcklicher werden sollte.</p> <p>b) Wir beneiden dem andern Geschlecht seine Vorzuͤge nicht; aber desto staͤrker beneiden sich Frauenzimmer unter einander.</p> <p>Die Vorzuͤge des andern Geschlechts kommen wieder mit den unsrigen nicht so oft in Collision, als die der Maͤnner; — wir wuͤnschen sie auch nicht besonders sehr, und sie wuͤrden sich nicht einmal immer fuͤr unser Geschlecht passen. Hiezu kommt ein uns gewissermaßen angebornes Gefuͤhl von Superioritaͤt, welches durch unsere Geschaͤftsart, durch koͤrperliche Kraͤfte, durch Kunst- und Wissenschaftsfleiß noch mehr unterhalten wird, — ferner auch jenes zaͤrtliche Jnteresse, welches wir an den Schicksalen und Wuͤnschen des andern Geschlechts vermoͤge der Einrichtung unsrer Natur nehmen, wodurch den Empfindungen des Neides entgegengearbeitet wird. Auffallend ist die Heftigkeit dieser Leidenschaft bey Frauenzimmern wegen der Lebhaftigkeit ihrer<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0065]
naͤhere Bekanntschaft mit der Person des Beneideten, und die Furcht, daß er mir wohl Abbruch thun koͤnne. Versetzt den Gluͤcklichen in einen Ort, wo ich ihn nicht zu kennen Gelegenheit habe, so viel mir auch von seinen Vorzuͤgen vor erzaͤhlt werden mag; oder entfernt ihn einige hundert Meilen von mir, daß mir seine Gegenwart nicht mehr im Wege steht, und mein ganzer Neid wird aufhoͤren, wenn auch jener Gluͤckliche an dem andern Orte noch viel gluͤcklicher werden sollte.
b) Wir beneiden dem andern Geschlecht seine Vorzuͤge nicht; aber desto staͤrker beneiden sich Frauenzimmer unter einander.
Die Vorzuͤge des andern Geschlechts kommen wieder mit den unsrigen nicht so oft in Collision, als die der Maͤnner; — wir wuͤnschen sie auch nicht besonders sehr, und sie wuͤrden sich nicht einmal immer fuͤr unser Geschlecht passen. Hiezu kommt ein uns gewissermaßen angebornes Gefuͤhl von Superioritaͤt, welches durch unsere Geschaͤftsart, durch koͤrperliche Kraͤfte, durch Kunst- und Wissenschaftsfleiß noch mehr unterhalten wird, — ferner auch jenes zaͤrtliche Jnteresse, welches wir an den Schicksalen und Wuͤnschen des andern Geschlechts vermoͤge der Einrichtung unsrer Natur nehmen, wodurch den Empfindungen des Neides entgegengearbeitet wird. Auffallend ist die Heftigkeit dieser Leidenschaft bey Frauenzimmern wegen der Lebhaftigkeit ihrer
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