Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


erschienen mir Soldaten, Völker, Aecker und andre, mir noch auf diesen Tag verhaßte, Körpergestalten; ferner Haine, Wälder und andre Dinge, deren ich mich nicht mehr erinnere, oft auch eine ganze Menge zugleich vor meinen Augen vorbei eilender Gegenstände, ohne daß sie sich unter einander vermischten. Alle diese Dinge waren hell und durchsichtig, aber doch nicht so, als wenn sie deswegen nicht wirklich vorhanden gewesen wären, auch nicht so dicht, daß sie das Auge nicht durchschauen konnte. Selbst die schattigten Zirkel waren ganz durchsichtige Räume. Jch fand an diesem Schauspiele ein großes Vergnügen, und sah diese Wunderdinge starr an, daher mich meine Tante einmal fragte: Ob ich etwas sähe? Ob ich gleich noch ein junges Kind war, so dachte ich doch bei mir selbst, wenn du Ja sagst: so mögte sie böse werden, und dir den ganzen Spaas verderben; denn es erschienen mir auch allerlei Blumen und vierfüssige Thiere, und Vögel aller Art, ob ihnen gleich, da sie bloße luftige Bilder waren, die Farben fehlten. Da ich nun weder in meiner Jugend, noch in meinem Alter gelogen habe, und meine Tante mich einmal fragte, was ich so starr ansehe: so weiß ich nicht, was ich ihr geantwortet habe; ich glaube wohl, ich habe gar nichts geantwortet."

"Sehr oft sah im ich Traume einen Hahn, vor dem ich mich fürchtete, daß er nicht einmal mit


erschienen mir Soldaten, Voͤlker, Aecker und andre, mir noch auf diesen Tag verhaßte, Koͤrpergestalten; ferner Haine, Waͤlder und andre Dinge, deren ich mich nicht mehr erinnere, oft auch eine ganze Menge zugleich vor meinen Augen vorbei eilender Gegenstaͤnde, ohne daß sie sich unter einander vermischten. Alle diese Dinge waren hell und durchsichtig, aber doch nicht so, als wenn sie deswegen nicht wirklich vorhanden gewesen waͤren, auch nicht so dicht, daß sie das Auge nicht durchschauen konnte. Selbst die schattigten Zirkel waren ganz durchsichtige Raͤume. Jch fand an diesem Schauspiele ein großes Vergnuͤgen, und sah diese Wunderdinge starr an, daher mich meine Tante einmal fragte: Ob ich etwas saͤhe? Ob ich gleich noch ein junges Kind war, so dachte ich doch bei mir selbst, wenn du Ja sagst: so moͤgte sie boͤse werden, und dir den ganzen Spaas verderben; denn es erschienen mir auch allerlei Blumen und vierfuͤssige Thiere, und Voͤgel aller Art, ob ihnen gleich, da sie bloße luftige Bilder waren, die Farben fehlten. Da ich nun weder in meiner Jugend, noch in meinem Alter gelogen habe, und meine Tante mich einmal fragte, was ich so starr ansehe: so weiß ich nicht, was ich ihr geantwortet habe; ich glaube wohl, ich habe gar nichts geantwortet.«

»Sehr oft sah im ich Traume einen Hahn, vor dem ich mich fuͤrchtete, daß er nicht einmal mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="125"/><lb/>
erschienen mir Soldaten, Vo&#x0364;lker, Aecker und                   andre, mir noch auf diesen Tag verhaßte, Ko&#x0364;rpergestalten; ferner Haine, Wa&#x0364;lder und                   andre Dinge, deren ich mich nicht mehr erinnere, oft auch eine ganze Menge                   zugleich vor meinen Augen vorbei eilender Gegensta&#x0364;nde, ohne daß sie sich unter                   einander vermischten. Alle diese Dinge waren hell und durchsichtig, aber doch                   nicht so, als wenn sie deswegen nicht wirklich vorhanden gewesen wa&#x0364;ren, auch nicht                   so dicht, daß sie das Auge nicht durchschauen konnte. Selbst die schattigten                   Zirkel waren ganz durchsichtige Ra&#x0364;ume. Jch fand an diesem Schauspiele ein großes                         <choice><corr>Vergnu&#x0364;gen</corr><sic>Vernu&#x0364;gen</sic></choice>,                   und sah diese Wunderdinge starr an, daher mich meine Tante einmal fragte: Ob ich                   etwas sa&#x0364;he? Ob ich gleich noch ein junges Kind war, so dachte ich doch bei mir                   selbst, wenn du Ja sagst: so mo&#x0364;gte sie bo&#x0364;se werden, und dir den ganzen Spaas                   verderben; denn es erschienen mir auch allerlei Blumen und vierfu&#x0364;ssige Thiere, und                   Vo&#x0364;gel aller Art, ob ihnen gleich, da sie bloße luftige Bilder waren, die Farben                   fehlten. Da ich nun weder in meiner Jugend, noch in meinem Alter gelogen habe, und                   meine Tante mich einmal fragte, was ich so starr ansehe: so weiß ich nicht, was                   ich ihr geantwortet habe; ich glaube wohl, ich habe gar nichts geantwortet.«</p>
          <p>»Sehr oft sah im ich Traume einen Hahn, vor dem ich mich fu&#x0364;rchtete, daß er nicht                   einmal mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0127] erschienen mir Soldaten, Voͤlker, Aecker und andre, mir noch auf diesen Tag verhaßte, Koͤrpergestalten; ferner Haine, Waͤlder und andre Dinge, deren ich mich nicht mehr erinnere, oft auch eine ganze Menge zugleich vor meinen Augen vorbei eilender Gegenstaͤnde, ohne daß sie sich unter einander vermischten. Alle diese Dinge waren hell und durchsichtig, aber doch nicht so, als wenn sie deswegen nicht wirklich vorhanden gewesen waͤren, auch nicht so dicht, daß sie das Auge nicht durchschauen konnte. Selbst die schattigten Zirkel waren ganz durchsichtige Raͤume. Jch fand an diesem Schauspiele ein großes Vergnuͤgen, und sah diese Wunderdinge starr an, daher mich meine Tante einmal fragte: Ob ich etwas saͤhe? Ob ich gleich noch ein junges Kind war, so dachte ich doch bei mir selbst, wenn du Ja sagst: so moͤgte sie boͤse werden, und dir den ganzen Spaas verderben; denn es erschienen mir auch allerlei Blumen und vierfuͤssige Thiere, und Voͤgel aller Art, ob ihnen gleich, da sie bloße luftige Bilder waren, die Farben fehlten. Da ich nun weder in meiner Jugend, noch in meinem Alter gelogen habe, und meine Tante mich einmal fragte, was ich so starr ansehe: so weiß ich nicht, was ich ihr geantwortet habe; ich glaube wohl, ich habe gar nichts geantwortet.« »Sehr oft sah im ich Traume einen Hahn, vor dem ich mich fuͤrchtete, daß er nicht einmal mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/127
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/127>, abgerufen am 28.11.2024.