Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
Mancher Aberglaube scheint in der That aus einer guten natürlichen Absicht entstanden zu seyn. So warnt man junge Kinder, ja nicht zu nahe an Flüsse und Teiche zu gehen, weil sie sonst der
Mancher Aberglaube scheint in der That aus einer guten natuͤrlichen Absicht entstanden zu seyn. So warnt man junge Kinder, ja nicht zu nahe an Fluͤsse und Teiche zu gehen, weil sie sonst der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0025" n="23"/><lb/> gegeben haben, oft war auch wohl nur der blosse Zufall, der auf eine gewisse Einbildung erfolgte, der Grund davon. Der Unwissende findet uͤberall Gegenstaͤnde, deren physische Verhaͤltnisse er nicht uͤberschauen kann, er nimmt also gleich seine Zuflucht zu gewissen verborgenen Kraͤften, und personificirt sie, so gut er kann; oder so wie sie seine Vorfahren schon zu personificiren suchten. Er hat wenig Neigung dazu, das Ding sich natuͤrlich zu erklaͤren, weil das Wunderbare seiner sinnlichen Phantasie schmeichelhafter ist, und er von Jugend auf den Kopf von unsichtbaren Geistern voll hat. Gemeiniglich verhaͤlt sich der gemeine Mann auch nur bloß mechanisch bei seinem Aberglauben. Er weiß es selbst nicht immer, <hi rendition="#b">warum</hi> er so handelt; sondern er handelt so, weil er es so zu sehen gewohnt ist. Jch habe oft gemeine Leute gefragt: Warum glaubt ihr dies und das? und sie konnten mir nichts anders antworten, als – – Wir glauben's nun einmal so! Man wird gemeinen Leuten den Aberglauben jeder Art nicht eher aus den Koͤpfen bringen, bis man ihnen einen deutlichen Unterricht in der Naturlehre zu geben anfaͤngt, wie nun auch schon an mehrern Orten zur Ehre der Menschheit geschieht.</p> <p>Mancher Aberglaube scheint in der That aus einer guten natuͤrlichen Absicht entstanden zu seyn. So warnt man junge Kinder, ja nicht zu nahe an Fluͤsse und Teiche zu gehen, weil sie sonst der<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0025]
gegeben haben, oft war auch wohl nur der blosse Zufall, der auf eine gewisse Einbildung erfolgte, der Grund davon. Der Unwissende findet uͤberall Gegenstaͤnde, deren physische Verhaͤltnisse er nicht uͤberschauen kann, er nimmt also gleich seine Zuflucht zu gewissen verborgenen Kraͤften, und personificirt sie, so gut er kann; oder so wie sie seine Vorfahren schon zu personificiren suchten. Er hat wenig Neigung dazu, das Ding sich natuͤrlich zu erklaͤren, weil das Wunderbare seiner sinnlichen Phantasie schmeichelhafter ist, und er von Jugend auf den Kopf von unsichtbaren Geistern voll hat. Gemeiniglich verhaͤlt sich der gemeine Mann auch nur bloß mechanisch bei seinem Aberglauben. Er weiß es selbst nicht immer, warum er so handelt; sondern er handelt so, weil er es so zu sehen gewohnt ist. Jch habe oft gemeine Leute gefragt: Warum glaubt ihr dies und das? und sie konnten mir nichts anders antworten, als – – Wir glauben's nun einmal so! Man wird gemeinen Leuten den Aberglauben jeder Art nicht eher aus den Koͤpfen bringen, bis man ihnen einen deutlichen Unterricht in der Naturlehre zu geben anfaͤngt, wie nun auch schon an mehrern Orten zur Ehre der Menschheit geschieht.
Mancher Aberglaube scheint in der That aus einer guten natuͤrlichen Absicht entstanden zu seyn. So warnt man junge Kinder, ja nicht zu nahe an Fluͤsse und Teiche zu gehen, weil sie sonst der
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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