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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

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Aberglaubens auf die Leute selbst kommt, welche die ganze fabelhafte Geschichte aus dem Munde des Propheten unmittelbar erhalten zu haben vorgaben. Eine solche Erzählung, welche sich von Geschlecht auf Geschlecht fortpflanzte, und noch dazu in einem Buche aufgezeichnet war, dessen Jnhalt, so albern er auch immer seyn mag, als eine von der Gottheit selbst aufgezeichnete Schrift betrachtet wird, mußte bei einem ohnehin blinden Volke den stärksten Eindruck machen. Alles, was uns von unsern Aeltern und Vorfahren erzählt wird, hat etwas ehrwürdiges für unsre Einbildung an sich; vornehmlich weil uns dergleichen Dinge schon frühzeitig in unsrer Jugend erzählt werden, und mit den Jahren in uns gleichsam anrosten.

Der zweite Grund, welcher eben so leicht die Menschen zur Leichtgläubigkeit verführt, liegt unstreitig darin, daß die Visionen des Mahomet, ihres Unsinns ohnerachtet (so wie die Götterlehren und Theogonien der Alten), sehr unterhaltend sind, und die menschliche Einbildungskraft, diese unruhigste aller Seelenfähigkeiten, auf eine angenehme Art beschäftigen. Die meisten Religionssysteme alter und neuer Zeiten haben nicht sowohl dadurch sich eine Menge Verehrer erworben, weil sie Wahrheiten der Vernunft auf eine deutliche und bestimmte Art zu unsrer Glückseligkeit darstellen; sondern weil sie gewisse Lehren vortragen, die sich an unsere Ein-


Aberglaubens auf die Leute selbst kommt, welche die ganze fabelhafte Geschichte aus dem Munde des Propheten unmittelbar erhalten zu haben vorgaben. Eine solche Erzaͤhlung, welche sich von Geschlecht auf Geschlecht fortpflanzte, und noch dazu in einem Buche aufgezeichnet war, dessen Jnhalt, so albern er auch immer seyn mag, als eine von der Gottheit selbst aufgezeichnete Schrift betrachtet wird, mußte bei einem ohnehin blinden Volke den staͤrksten Eindruck machen. Alles, was uns von unsern Aeltern und Vorfahren erzaͤhlt wird, hat etwas ehrwuͤrdiges fuͤr unsre Einbildung an sich; vornehmlich weil uns dergleichen Dinge schon fruͤhzeitig in unsrer Jugend erzaͤhlt werden, und mit den Jahren in uns gleichsam anrosten.

Der zweite Grund, welcher eben so leicht die Menschen zur Leichtglaͤubigkeit verfuͤhrt, liegt unstreitig darin, daß die Visionen des Mahomet, ihres Unsinns ohnerachtet (so wie die Goͤtterlehren und Theogonien der Alten), sehr unterhaltend sind, und die menschliche Einbildungskraft, diese unruhigste aller Seelenfaͤhigkeiten, auf eine angenehme Art beschaͤftigen. Die meisten Religionssysteme alter und neuer Zeiten haben nicht sowohl dadurch sich eine Menge Verehrer erworben, weil sie Wahrheiten der Vernunft auf eine deutliche und bestimmte Art zu unsrer Gluͤckseligkeit darstellen; sondern weil sie gewisse Lehren vortragen, die sich an unsere Ein-

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[57/0059] Aberglaubens auf die Leute selbst kommt, welche die ganze fabelhafte Geschichte aus dem Munde des Propheten unmittelbar erhalten zu haben vorgaben. Eine solche Erzaͤhlung, welche sich von Geschlecht auf Geschlecht fortpflanzte, und noch dazu in einem Buche aufgezeichnet war, dessen Jnhalt, so albern er auch immer seyn mag, als eine von der Gottheit selbst aufgezeichnete Schrift betrachtet wird, mußte bei einem ohnehin blinden Volke den staͤrksten Eindruck machen. Alles, was uns von unsern Aeltern und Vorfahren erzaͤhlt wird, hat etwas ehrwuͤrdiges fuͤr unsre Einbildung an sich; vornehmlich weil uns dergleichen Dinge schon fruͤhzeitig in unsrer Jugend erzaͤhlt werden, und mit den Jahren in uns gleichsam anrosten. Der zweite Grund, welcher eben so leicht die Menschen zur Leichtglaͤubigkeit verfuͤhrt, liegt unstreitig darin, daß die Visionen des Mahomet, ihres Unsinns ohnerachtet (so wie die Goͤtterlehren und Theogonien der Alten), sehr unterhaltend sind, und die menschliche Einbildungskraft, diese unruhigste aller Seelenfaͤhigkeiten, auf eine angenehme Art beschaͤftigen. Die meisten Religionssysteme alter und neuer Zeiten haben nicht sowohl dadurch sich eine Menge Verehrer erworben, weil sie Wahrheiten der Vernunft auf eine deutliche und bestimmte Art zu unsrer Gluͤckseligkeit darstellen; sondern weil sie gewisse Lehren vortragen, die sich an unsere Ein-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/59>, abgerufen am 21.11.2024.