Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0092" n="90"/><lb/> Wand stand, der Laͤnge nach zog, und von dem noch etwas zu sehen war, wie der Lichtkoͤrper selbst schon durch die Thuͤre war, bis er sich voͤllig nachzog, und darauf auch die Sonnenhelle im Zimmer verschwand. Jch ging auf zwei Schritte hinter drein, ohne jedoch der Figur naͤher zu kommen, wie ich war, und ohne, wie ich mich genau erinnere, in dem Augenblick dieser Erscheinung an meinen Bruder zu denken, weil ich nicht anders glaubte und wußte, als daß er lebte und gesund waͤre. Wie ich an die Kammerthuͤre kam, durch deren <choice><corr>geringe</corr><sic>geringen</sic></choice> Oeffnung sich jene Figur durchzog, so stieß ich sie auf, und ward die leere Kammer gewahr, die keinen Ausgang <choice><corr>hatte.</corr><sic>hatte</sic></choice> Nun uͤberfiel mich aber auch ein so heftiger Schauder und eine so zitternde Angst, daß ich nicht schnell genug aus diesem Zimmer kommen konnte. Mein erster Gang war in den Garten, um da meinem beklommenen, angstvollen Herzen durch einen Strom von Thraͤnen Luft und Erleichterung zu verschaffen; dann erzaͤhlte ich, was mir begegnet sey, woraus ich den fuͤr mich uͤberzeugend gewissen Schluß machte, daß diese Erscheinung mein Bruder gewesen, der gestorben sey, der zwar in der Ewigkeit lebte, aber nicht mehr hier fuͤr uns. Dies war denn auch die Ursache, warum man uns die Wahrheit seines Todes nicht laͤnger verheelte. Will man hier auch Einwuͤrfe von Schlafen bei Tage im Gehen, von Praͤoccupation, die vielmehr gerade vom Gegentheil da war, fuͤr Bilder der Jmagina-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0092]
Wand stand, der Laͤnge nach zog, und von dem noch etwas zu sehen war, wie der Lichtkoͤrper selbst schon durch die Thuͤre war, bis er sich voͤllig nachzog, und darauf auch die Sonnenhelle im Zimmer verschwand. Jch ging auf zwei Schritte hinter drein, ohne jedoch der Figur naͤher zu kommen, wie ich war, und ohne, wie ich mich genau erinnere, in dem Augenblick dieser Erscheinung an meinen Bruder zu denken, weil ich nicht anders glaubte und wußte, als daß er lebte und gesund waͤre. Wie ich an die Kammerthuͤre kam, durch deren geringe Oeffnung sich jene Figur durchzog, so stieß ich sie auf, und ward die leere Kammer gewahr, die keinen Ausgang hatte. Nun uͤberfiel mich aber auch ein so heftiger Schauder und eine so zitternde Angst, daß ich nicht schnell genug aus diesem Zimmer kommen konnte. Mein erster Gang war in den Garten, um da meinem beklommenen, angstvollen Herzen durch einen Strom von Thraͤnen Luft und Erleichterung zu verschaffen; dann erzaͤhlte ich, was mir begegnet sey, woraus ich den fuͤr mich uͤberzeugend gewissen Schluß machte, daß diese Erscheinung mein Bruder gewesen, der gestorben sey, der zwar in der Ewigkeit lebte, aber nicht mehr hier fuͤr uns. Dies war denn auch die Ursache, warum man uns die Wahrheit seines Todes nicht laͤnger verheelte. Will man hier auch Einwuͤrfe von Schlafen bei Tage im Gehen, von Praͤoccupation, die vielmehr gerade vom Gegentheil da war, fuͤr Bilder der Jmagina-
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