Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

"Es bleiben hierbei, fährt er fort, allerlei Zweifel übrig; warum grade für mich, und nicht eben so für andre der Schutzgeist soviel Sorge trägt, da ich, wie einige meinen, keine Vorzüge in Absicht meiner Gelehrsamkeit besitze; -- oder soll ich mir jene Sorgfalt des Schutzgeistes wegen meiner unermeßlichen Wahrheits- und Weisheitsliebe, oder meiner Verachtung äusserer Güter, selbst bei meiner Armuth, oder meiner Neigung zur Gerechtigkeit, oder soll ich alles Gott allein zuschreiben, der dies nach einem ihm allein bekannten Endzweck an mir thut?

Noch mehr! warum warnt mich der Schutzgeist nicht gradezu, warum bald auf diese, bald auf jene Art; soll ich etwa, wie z.B. durch jenes unordentliche Geräusch, ein Vertrauen auf Gott setzen lernen, daß er alles sieht, ob ich ihn gleich nicht sehe? Er konnte mich ja auch durch einen Traum, durch ein andres Wunder deutlicher unterrichten; aber jene Art mag vielleicht mehr eine göttliche Sorgfalt für mich anzeigen; -- -- doch, fährt er fort, es wäre thörigt, über dergleichen Dinge sich mit voreiligen Untersuchungen abzugeben."

Uebrigens läugnet Cardan nicht, daß sich auch der Schutzgeist wirklich irren könne. Man höre, wie er dies zu erklären und seinen Schutzgeist zu ret-


»Es bleiben hierbei, faͤhrt er fort, allerlei Zweifel uͤbrig; warum grade fuͤr mich, und nicht eben so fuͤr andre der Schutzgeist soviel Sorge traͤgt, da ich, wie einige meinen, keine Vorzuͤge in Absicht meiner Gelehrsamkeit besitze; — oder soll ich mir jene Sorgfalt des Schutzgeistes wegen meiner unermeßlichen Wahrheits- und Weisheitsliebe, oder meiner Verachtung aͤusserer Guͤter, selbst bei meiner Armuth, oder meiner Neigung zur Gerechtigkeit, oder soll ich alles Gott allein zuschreiben, der dies nach einem ihm allein bekannten Endzweck an mir thut?

Noch mehr! warum warnt mich der Schutzgeist nicht gradezu, warum bald auf diese, bald auf jene Art; soll ich etwa, wie z.B. durch jenes unordentliche Geraͤusch, ein Vertrauen auf Gott setzen lernen, daß er alles sieht, ob ich ihn gleich nicht sehe? Er konnte mich ja auch durch einen Traum, durch ein andres Wunder deutlicher unterrichten; aber jene Art mag vielleicht mehr eine goͤttliche Sorgfalt fuͤr mich anzeigen; — — doch, faͤhrt er fort, es waͤre thoͤrigt, uͤber dergleichen Dinge sich mit voreiligen Untersuchungen abzugeben.«

Uebrigens laͤugnet Cardan nicht, daß sich auch der Schutzgeist wirklich irren koͤnne. Man hoͤre, wie er dies zu erklaͤren und seinen Schutzgeist zu ret-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0104" n="104"/><lb/>
            <p><choice><corr>»Es</corr><sic>Es</sic></choice> bleiben                         hierbei, fa&#x0364;hrt er fort, allerlei Zweifel u&#x0364;brig; warum grade fu&#x0364;r mich, und                         nicht eben so fu&#x0364;r andre der Schutzgeist soviel Sorge tra&#x0364;gt, da ich, wie                         einige meinen, keine Vorzu&#x0364;ge in Absicht meiner Gelehrsamkeit besitze; &#x2014; oder                         soll ich mir jene Sorgfalt des Schutzgeistes wegen meiner unermeßlichen                         Wahrheits- und Weisheitsliebe, oder meiner Verachtung a&#x0364;usserer Gu&#x0364;ter, selbst                         bei meiner Armuth, oder meiner Neigung zur Gerechtigkeit, oder soll ich                         alles Gott allein zuschreiben, der dies nach einem ihm allein bekannten                         Endzweck an mir thut?</p>
            <p>Noch mehr! warum warnt mich der Schutzgeist nicht gradezu, warum bald auf                         diese, bald auf jene Art; soll ich etwa, wie z.B. durch jenes <choice><corr>unordentliche</corr><sic>ununordentliche</sic></choice> Gera&#x0364;usch, ein Vertrauen auf Gott setzen                         lernen, daß er alles sieht, ob ich ihn gleich nicht sehe? Er konnte mich ja                         auch durch einen Traum, durch ein andres Wunder deutlicher unterrichten;                         aber jene Art mag vielleicht mehr eine go&#x0364;ttliche Sorgfalt fu&#x0364;r mich anzeigen;                         &#x2014; &#x2014; doch, fa&#x0364;hrt er fort, es wa&#x0364;re tho&#x0364;rigt, u&#x0364;ber dergleichen Dinge sich mit                         voreiligen Untersuchungen abzugeben.«</p>
            <p>Uebrigens la&#x0364;ugnet <persName ref="#ref0040"><note type="editorial">Cardano, Girolamo</note>Cardan</persName> nicht, daß sich auch der Schutzgeist wirklich irren                         ko&#x0364;nne. Man ho&#x0364;re, wie er dies zu erkla&#x0364;ren und seinen Schutzgeist zu ret-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0104] »Es bleiben hierbei, faͤhrt er fort, allerlei Zweifel uͤbrig; warum grade fuͤr mich, und nicht eben so fuͤr andre der Schutzgeist soviel Sorge traͤgt, da ich, wie einige meinen, keine Vorzuͤge in Absicht meiner Gelehrsamkeit besitze; — oder soll ich mir jene Sorgfalt des Schutzgeistes wegen meiner unermeßlichen Wahrheits- und Weisheitsliebe, oder meiner Verachtung aͤusserer Guͤter, selbst bei meiner Armuth, oder meiner Neigung zur Gerechtigkeit, oder soll ich alles Gott allein zuschreiben, der dies nach einem ihm allein bekannten Endzweck an mir thut? Noch mehr! warum warnt mich der Schutzgeist nicht gradezu, warum bald auf diese, bald auf jene Art; soll ich etwa, wie z.B. durch jenes unordentliche Geraͤusch, ein Vertrauen auf Gott setzen lernen, daß er alles sieht, ob ich ihn gleich nicht sehe? Er konnte mich ja auch durch einen Traum, durch ein andres Wunder deutlicher unterrichten; aber jene Art mag vielleicht mehr eine goͤttliche Sorgfalt fuͤr mich anzeigen; — — doch, faͤhrt er fort, es waͤre thoͤrigt, uͤber dergleichen Dinge sich mit voreiligen Untersuchungen abzugeben.« Uebrigens laͤugnet Cardan nicht, daß sich auch der Schutzgeist wirklich irren koͤnne. Man hoͤre, wie er dies zu erklaͤren und seinen Schutzgeist zu ret-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/104
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/104>, abgerufen am 04.12.2024.