Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0006" n="6"/><lb/> Bilder und Materialien in der Seele des Kindes bereit lagen, die vielleicht nur eines staͤrkern Blutstoßes bedurften, um mit aller Helligkeit und Lebhaftigkeit eines <hi rendition="#b">wirklichen</hi> Bildes hervorzutreten. Dergleichen Bilder mahlt die Seele oft mit einer unbegreiflichen Schnelligkeit in einem Augenblicke aus, und das schnelle Erscheinen des Jmaginationsbildes faͤllt uns dann um so viel mehr auf, weil wir gar nicht daran gearbeitet zu haben scheinen. Bei einem so jungen Kinde waͤre eine so lebhaft imaginirte Vision freilich nicht wohl erklaͤrbar, wenn man, was schon vorausgesetzt worden ist, nicht theils mit Gewißheit annehmen koͤnnte, daß die Eltern ihrem Kinde von demTeufel so manches moͤgen vorgeschwatzt haben; theils auch dem Maͤdgen allerlei gemahlte Bilder von jenem Gespenste der Einbildungskraft vorschweben mogten.Vielleicht konnte auch einer von dem Gesinde oder den Hausleuten sich wirklich, aus Scherz, in die Gestalt des Teufels verkleidet haben, wodurch der heftige Schreck des Maͤdgens, und die darauf sich natuͤrlich gruͤndende vierteljaͤhrige Krankheit derselben veranlaßt wurde. Erfahrnen Aerzten sind sonderbare Faͤlle genug bekannt, welche traurige, und oft fuͤrchterliche, Wuͤrkungen ein ploͤtzliches Schrecken, oder eine dergleichen gehabte Vision der Einbildungskraft, sonderlich bei jungen noch nervenschwachen Leuten nach sich ziehn kann. — Uebrigens kann auch vorerwaͤhnte Geschichte lehren, wie abgeschmackt und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
Bilder und Materialien in der Seele des Kindes bereit lagen, die vielleicht nur eines staͤrkern Blutstoßes bedurften, um mit aller Helligkeit und Lebhaftigkeit eines wirklichen Bildes hervorzutreten. Dergleichen Bilder mahlt die Seele oft mit einer unbegreiflichen Schnelligkeit in einem Augenblicke aus, und das schnelle Erscheinen des Jmaginationsbildes faͤllt uns dann um so viel mehr auf, weil wir gar nicht daran gearbeitet zu haben scheinen. Bei einem so jungen Kinde waͤre eine so lebhaft imaginirte Vision freilich nicht wohl erklaͤrbar, wenn man, was schon vorausgesetzt worden ist, nicht theils mit Gewißheit annehmen koͤnnte, daß die Eltern ihrem Kinde von demTeufel so manches moͤgen vorgeschwatzt haben; theils auch dem Maͤdgen allerlei gemahlte Bilder von jenem Gespenste der Einbildungskraft vorschweben mogten.Vielleicht konnte auch einer von dem Gesinde oder den Hausleuten sich wirklich, aus Scherz, in die Gestalt des Teufels verkleidet haben, wodurch der heftige Schreck des Maͤdgens, und die darauf sich natuͤrlich gruͤndende vierteljaͤhrige Krankheit derselben veranlaßt wurde. Erfahrnen Aerzten sind sonderbare Faͤlle genug bekannt, welche traurige, und oft fuͤrchterliche, Wuͤrkungen ein ploͤtzliches Schrecken, oder eine dergleichen gehabte Vision der Einbildungskraft, sonderlich bei jungen noch nervenschwachen Leuten nach sich ziehn kann. — Uebrigens kann auch vorerwaͤhnte Geschichte lehren, wie abgeschmackt und
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