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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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nicht mehr gültige Zeugen ihrer schwärmerischen Aussagen, von gewissen an sich bemerkten sonderbaren Phänomenen, weil sie oft die Schwäche des Geistes an richtigen Untersuchungen hindert, weil das Alter sehr abergläubig, furchtsam und leichtgläubig ist, und weil sein Hang zum Wunderbaren die Phantasie so leicht auf Abwege bringt. Nervenschwache Menschen endlich -- -- sollen die die Gefäße jener geheimen Kräfte der menschlichen Seele seyn? -- O welche erbärmliche Maschinen hätte dann die Natur zur Darstellung ihrer Geheimnisse gewählt, und wie wenig könnte die Vernunft solchen Kräften trauen, die erst durch eine Erschlaftheit der Menschennatur sichtbar werden könnten.

Unterdessen scheinen unsre aufgeklärten Zeiten in der That jenen sonderbaren unpsychologischen Satz allgemein machen zu wollen, daß die Größe und Erhabenheit der Menschennatur erst durch gewisse vorhergegangene Erschlaffungen der Vernunft sichtbar werden können, und daß, um die Vollkommenheit derselben kennen zu lernen, allerlei ungewöhnliche Krisen der Empfindung vorhergehn müßten. Diesen Jrrwahn haben nicht bloß die Bremischen Geschichten einer sonderbaren Gattung des neumodischen Wahnwitzes befördert, sondern es sind mehrere Umstände zusammengekommen, selbst von Seiten der religiösen Schwärmerei, um jenen Unsinn gültig zu machen. Eine natürliche Folge unsrer


nicht mehr guͤltige Zeugen ihrer schwaͤrmerischen Aussagen, von gewissen an sich bemerkten sonderbaren Phaͤnomenen, weil sie oft die Schwaͤche des Geistes an richtigen Untersuchungen hindert, weil das Alter sehr aberglaͤubig, furchtsam und leichtglaͤubig ist, und weil sein Hang zum Wunderbaren die Phantasie so leicht auf Abwege bringt. Nervenschwache Menschen endlich — — sollen die die Gefaͤße jener geheimen Kraͤfte der menschlichen Seele seyn? — O welche erbaͤrmliche Maschinen haͤtte dann die Natur zur Darstellung ihrer Geheimnisse gewaͤhlt, und wie wenig koͤnnte die Vernunft solchen Kraͤften trauen, die erst durch eine Erschlaftheit der Menschennatur sichtbar werden koͤnnten.

Unterdessen scheinen unsre aufgeklaͤrten Zeiten in der That jenen sonderbaren unpsychologischen Satz allgemein machen zu wollen, daß die Groͤße und Erhabenheit der Menschennatur erst durch gewisse vorhergegangene Erschlaffungen der Vernunft sichtbar werden koͤnnen, und daß, um die Vollkommenheit derselben kennen zu lernen, allerlei ungewoͤhnliche Krisen der Empfindung vorhergehn muͤßten. Diesen Jrrwahn haben nicht bloß die Bremischen Geschichten einer sonderbaren Gattung des neumodischen Wahnwitzes befoͤrdert, sondern es sind mehrere Umstaͤnde zusammengekommen, selbst von Seiten der religioͤsen Schwaͤrmerei, um jenen Unsinn guͤltig zu machen. Eine natuͤrliche Folge unsrer

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[70/0070] nicht mehr guͤltige Zeugen ihrer schwaͤrmerischen Aussagen, von gewissen an sich bemerkten sonderbaren Phaͤnomenen, weil sie oft die Schwaͤche des Geistes an richtigen Untersuchungen hindert, weil das Alter sehr aberglaͤubig, furchtsam und leichtglaͤubig ist, und weil sein Hang zum Wunderbaren die Phantasie so leicht auf Abwege bringt. Nervenschwache Menschen endlich — — sollen die die Gefaͤße jener geheimen Kraͤfte der menschlichen Seele seyn? — O welche erbaͤrmliche Maschinen haͤtte dann die Natur zur Darstellung ihrer Geheimnisse gewaͤhlt, und wie wenig koͤnnte die Vernunft solchen Kraͤften trauen, die erst durch eine Erschlaftheit der Menschennatur sichtbar werden koͤnnten. Unterdessen scheinen unsre aufgeklaͤrten Zeiten in der That jenen sonderbaren unpsychologischen Satz allgemein machen zu wollen, daß die Groͤße und Erhabenheit der Menschennatur erst durch gewisse vorhergegangene Erschlaffungen der Vernunft sichtbar werden koͤnnen, und daß, um die Vollkommenheit derselben kennen zu lernen, allerlei ungewoͤhnliche Krisen der Empfindung vorhergehn muͤßten. Diesen Jrrwahn haben nicht bloß die Bremischen Geschichten einer sonderbaren Gattung des neumodischen Wahnwitzes befoͤrdert, sondern es sind mehrere Umstaͤnde zusammengekommen, selbst von Seiten der religioͤsen Schwaͤrmerei, um jenen Unsinn guͤltig zu machen. Eine natuͤrliche Folge unsrer

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/70>, abgerufen am 24.11.2024.