Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Zur Seelennaturkunde.
Materialien zu einem analytischen Versuche über die Leidenschaften.Siehe das 3te Stück des 5ten Bandes dieses Magazins. Fortsetzung. Eifersucht.

Dieser Affect, welcher so oft die sonderbarsten und seltsamsten Erscheinungen im Gebiete menschlicher Empfindungen veranlaßt, die klügsten Menschen verblendet, die gütigsten Herzen barbarisch und grausam macht, und wenn er heftig ist und lange dauert, der Seele und dem moralischen Charakter nicht selten eine ganz neue, unerwartete Richtung giebt, ist ein Gemisch von Neid und beleidigter Selbstliebe. Wir gönnen dem andern die Gunstbezeigungen nicht, welche der geliebte Gegenstand jenem erzeigt, oder zu erzeigen scheint, und fühlen uns gleichsam beleidigt, daß wir jene Gunstbezeugungen mit andern theilen, oder daß wir wegen eines andern, der mehr gefällt, als wir, sie gar verliehren sollen.


Zur Seelennaturkunde.
Materialien zu einem analytischen Versuche uͤber die Leidenschaften.Siehe das 3te Stuͤck des 5ten Bandes dieses Magazins. Fortsetzung. Eifersucht.

Dieser Affect, welcher so oft die sonderbarsten und seltsamsten Erscheinungen im Gebiete menschlicher Empfindungen veranlaßt, die kluͤgsten Menschen verblendet, die guͤtigsten Herzen barbarisch und grausam macht, und wenn er heftig ist und lange dauert, der Seele und dem moralischen Charakter nicht selten eine ganz neue, unerwartete Richtung giebt, ist ein Gemisch von Neid und beleidigter Selbstliebe. Wir goͤnnen dem andern die Gunstbezeigungen nicht, welche der geliebte Gegenstand jenem erzeigt, oder zu erzeigen scheint, und fuͤhlen uns gleichsam beleidigt, daß wir jene Gunstbezeugungen mit andern theilen, oder daß wir wegen eines andern, der mehr gefaͤllt, als wir, sie gar verliehren sollen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0052" n="52"/><lb/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Zur Seelennaturkunde.</head><lb/>
          <div n="3">
            <head>Materialien zu einem analytischen Versuche u&#x0364;ber die                         Leidenschaften.<note type="editorial"><bibl><persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels,                             C. F.</persName></bibl></note>Siehe das 3te Stu&#x0364;ck des 5ten Bandes                         dieses Magazins.                          Fortsetzung.                         Eifersucht.</head><lb/>
            <p>Dieser Affect, welcher so oft die sonderbarsten und                         seltsamsten Erscheinungen im Gebiete menschlicher Empfindungen veranlaßt,                         die klu&#x0364;gsten Menschen verblendet, die gu&#x0364;tigsten Herzen barbarisch und                         grausam macht, und wenn er heftig ist und lange dauert, der Seele und dem                         moralischen Charakter nicht selten eine ganz <hi rendition="#b">neue,</hi> unerwartete Richtung giebt, ist ein <hi rendition="#b">Gemisch</hi> von                         Neid und beleidigter Selbstliebe. Wir <hi rendition="#b">go&#x0364;nnen</hi> dem                         andern die Gunstbezeigungen nicht, welche der geliebte Gegenstand jenem                         erzeigt, oder zu erzeigen scheint, und fu&#x0364;hlen uns gleichsam beleidigt, daß                         wir jene Gunstbezeugungen mit andern theilen, oder daß wir wegen eines                         andern, der mehr gefa&#x0364;llt, als wir, sie gar verliehren sollen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0052] Zur Seelennaturkunde. Materialien zu einem analytischen Versuche uͤber die Leidenschaften.Siehe das 3te Stuͤck des 5ten Bandes dieses Magazins. Fortsetzung. Eifersucht. Dieser Affect, welcher so oft die sonderbarsten und seltsamsten Erscheinungen im Gebiete menschlicher Empfindungen veranlaßt, die kluͤgsten Menschen verblendet, die guͤtigsten Herzen barbarisch und grausam macht, und wenn er heftig ist und lange dauert, der Seele und dem moralischen Charakter nicht selten eine ganz neue, unerwartete Richtung giebt, ist ein Gemisch von Neid und beleidigter Selbstliebe. Wir goͤnnen dem andern die Gunstbezeigungen nicht, welche der geliebte Gegenstand jenem erzeigt, oder zu erzeigen scheint, und fuͤhlen uns gleichsam beleidigt, daß wir jene Gunstbezeugungen mit andern theilen, oder daß wir wegen eines andern, der mehr gefaͤllt, als wir, sie gar verliehren sollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/52
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/52>, abgerufen am 11.12.2024.