Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch will hier keine ausführliche Abhandlung über die Eifersucht, sondern nur wieder Materialien zur nähern Kenntniß dieser Leidenschaft liefern, um meinen Lesern neuen Stoff zum weitern Nachdenken zu geben. Uebrigens ist, wie ich glaube, auch in diesen Materialien nichts enthalten, was sich nicht aus der Erfahrung, dieser Grundquelle aller psychologischen Beobachtungen, und aus der Natur des menschlichen Willens darthun läßt.

a) Der psychologische Grund der Eifersucht ist vornehmlich die Liebe; von dieser empfängt sie ihre verschiedenen Modificationen, so wie auch vom Temperament, Zeitumständen, Alter und der Verschiedenheit der Einbildungskraft, welche bei dem Eifersüchtigen so erstaunlich reizbar ist. Doch kann man nicht allgemein sagen, daß wir den Gegenstand auch würcklich allemahl lieben müßten, auf welchen wir eifersüchtig sind. Da bei der Eifersucht unsre Eigenliebe gemeiniglich und nicht selten ganz allein interressirt ist; so können wir gegen Personen eifersüchtig seyn, die uns längst nicht mehr zur Liebe gereizt haben, deren Zuneigung aber gegen uns doch immer noch etwas Schmeichelhaftes für uns bleibt. Es kommt uns so vor, als ob wir immer noch ein Recht auf denjenigen behielten, welcher einstmahls unsre Zuneigung erregt, und unser Herz besessen hat, wir erinneren uns noch mit Vergnügen der angenehmen Augenblicke, die wir


Jch will hier keine ausfuͤhrliche Abhandlung uͤber die Eifersucht, sondern nur wieder Materialien zur naͤhern Kenntniß dieser Leidenschaft liefern, um meinen Lesern neuen Stoff zum weitern Nachdenken zu geben. Uebrigens ist, wie ich glaube, auch in diesen Materialien nichts enthalten, was sich nicht aus der Erfahrung, dieser Grundquelle aller psychologischen Beobachtungen, und aus der Natur des menschlichen Willens darthun laͤßt.

a) Der psychologische Grund der Eifersucht ist vornehmlich die Liebe; von dieser empfaͤngt sie ihre verschiedenen Modificationen, so wie auch vom Temperament, Zeitumstaͤnden, Alter und der Verschiedenheit der Einbildungskraft, welche bei dem Eifersuͤchtigen so erstaunlich reizbar ist. Doch kann man nicht allgemein sagen, daß wir den Gegenstand auch wuͤrcklich allemahl lieben muͤßten, auf welchen wir eifersuͤchtig sind. Da bei der Eifersucht unsre Eigenliebe gemeiniglich und nicht selten ganz allein interressirt ist; so koͤnnen wir gegen Personen eifersuͤchtig seyn, die uns laͤngst nicht mehr zur Liebe gereizt haben, deren Zuneigung aber gegen uns doch immer noch etwas Schmeichelhaftes fuͤr uns bleibt. Es kommt uns so vor, als ob wir immer noch ein Recht auf denjenigen behielten, welcher einstmahls unsre Zuneigung erregt, und unser Herz besessen hat, wir erinneren uns noch mit Vergnuͤgen der angenehmen Augenblicke, die wir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0054" n="54"/><lb/>
            <p>Jch                         will hier keine ausfu&#x0364;hrliche Abhandlung u&#x0364;ber die Eifersucht, sondern nur                         wieder Materialien zur na&#x0364;hern Kenntniß dieser Leidenschaft liefern, um                         meinen Lesern neuen Stoff zum weitern Nachdenken zu geben. Uebrigens ist,                         wie ich glaube, auch in diesen Materialien nichts enthalten, was sich nicht                         aus der Erfahrung, dieser Grundquelle aller psychologischen Beobachtungen,                         und aus der Natur des menschlichen Willens darthun la&#x0364;ßt.</p>
            <p><hi rendition="#aq">a)</hi> Der psychologische Grund der Eifersucht ist                         vornehmlich die Liebe; von dieser empfa&#x0364;ngt sie ihre verschiedenen                         Modificationen, so wie auch vom Temperament, Zeitumsta&#x0364;nden, Alter und der                         Verschiedenheit der Einbildungskraft, welche bei dem Eifersu&#x0364;chtigen so                         erstaunlich reizbar ist. Doch kann man nicht allgemein sagen, daß wir den                         Gegenstand auch wu&#x0364;rcklich allemahl lieben mu&#x0364;ßten, auf welchen wir                         eifersu&#x0364;chtig sind. Da bei der Eifersucht unsre Eigenliebe gemeiniglich und                         nicht selten ganz allein interressirt ist; so ko&#x0364;nnen wir gegen Personen                         eifersu&#x0364;chtig seyn, die uns la&#x0364;ngst nicht mehr zur Liebe gereizt haben, deren                         Zuneigung aber gegen uns doch immer noch etwas Schmeichelhaftes fu&#x0364;r uns                         bleibt. Es kommt uns so vor, als ob wir immer noch ein Recht auf denjenigen                         behielten, welcher einstmahls unsre Zuneigung erregt, und unser Herz                         besessen hat, wir erinneren uns noch mit Vergnu&#x0364;gen der angenehmen                         Augenblicke, die wir<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0054] Jch will hier keine ausfuͤhrliche Abhandlung uͤber die Eifersucht, sondern nur wieder Materialien zur naͤhern Kenntniß dieser Leidenschaft liefern, um meinen Lesern neuen Stoff zum weitern Nachdenken zu geben. Uebrigens ist, wie ich glaube, auch in diesen Materialien nichts enthalten, was sich nicht aus der Erfahrung, dieser Grundquelle aller psychologischen Beobachtungen, und aus der Natur des menschlichen Willens darthun laͤßt. a) Der psychologische Grund der Eifersucht ist vornehmlich die Liebe; von dieser empfaͤngt sie ihre verschiedenen Modificationen, so wie auch vom Temperament, Zeitumstaͤnden, Alter und der Verschiedenheit der Einbildungskraft, welche bei dem Eifersuͤchtigen so erstaunlich reizbar ist. Doch kann man nicht allgemein sagen, daß wir den Gegenstand auch wuͤrcklich allemahl lieben muͤßten, auf welchen wir eifersuͤchtig sind. Da bei der Eifersucht unsre Eigenliebe gemeiniglich und nicht selten ganz allein interressirt ist; so koͤnnen wir gegen Personen eifersuͤchtig seyn, die uns laͤngst nicht mehr zur Liebe gereizt haben, deren Zuneigung aber gegen uns doch immer noch etwas Schmeichelhaftes fuͤr uns bleibt. Es kommt uns so vor, als ob wir immer noch ein Recht auf denjenigen behielten, welcher einstmahls unsre Zuneigung erregt, und unser Herz besessen hat, wir erinneren uns noch mit Vergnuͤgen der angenehmen Augenblicke, die wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/54
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/54>, abgerufen am 04.12.2024.