Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
"Wer die Macht der Eifersucht aus eigener Erfahrung kennt, wird gestehen, daß sie die schrecklichste unter allen Leidenschaften und diejenige Empfindung sey, welche nach der Marter der Todesangst den ersten Platz behauptet. Jch betrachte sie hier nach ihrem höchsten Grade, und nach ihrem weitesten Umfange. Hier hat sie die heftigste Liebe, das heftigste Verlangen nach dem Besitz einer geliebten Person zum Grunde, von welcher wir glauben, daß sie uns nicht wieder liebe, unsre Neigung zu ihr verschmähe, und dabei eine andre Person liebe, nach deren Besitz und Genuß sie sich sehne. Dieser Gedanke stürzt uns in den tiefsten Gram, und erfüllt uns mit der heftigsten Unruhe und Angst. Die Heftigkeit dieser Leidenschaft entstehet dadurch, daß sich mehrere Leidenschaften in ihr vereinigen und gemeinschaftlich das menschliche Herz bestürmen. Hier ist das heiseste Verlangen nach dem Besitz des geliebten Gegenstandes, die heftigste Furcht, ihn zu verlieren, und in den Armen eines andern zu sehen, die Empfindung verschmähter Liebe; des beleidigten Ehrgeitzes, fehlgeschlagener Bemühungen und Erwartungen, Rache gegen den, dem der geliebte Gegenstand den Vorzug vor uns giebt, oder der sich um die Gunst desselben zu bewerben scheint. Jn der Einsamkeit,
»Wer die Macht der Eifersucht aus eigener Erfahrung kennt, wird gestehen, daß sie die schrecklichste unter allen Leidenschaften und diejenige Empfindung sey, welche nach der Marter der Todesangst den ersten Platz behauptet. Jch betrachte sie hier nach ihrem hoͤchsten Grade, und nach ihrem weitesten Umfange. Hier hat sie die heftigste Liebe, das heftigste Verlangen nach dem Besitz einer geliebten Person zum Grunde, von welcher wir glauben, daß sie uns nicht wieder liebe, unsre Neigung zu ihr verschmaͤhe, und dabei eine andre Person liebe, nach deren Besitz und Genuß sie sich sehne. Dieser Gedanke stuͤrzt uns in den tiefsten Gram, und erfuͤllt uns mit der heftigsten Unruhe und Angst. Die Heftigkeit dieser Leidenschaft entstehet dadurch, daß sich mehrere Leidenschaften in ihr vereinigen und gemeinschaftlich das menschliche Herz bestuͤrmen. Hier ist das heiseste Verlangen nach dem Besitz des geliebten Gegenstandes, die heftigste Furcht, ihn zu verlieren, und in den Armen eines andern zu sehen, die Empfindung verschmaͤhter Liebe; des beleidigten Ehrgeitzes, fehlgeschlagener Bemuͤhungen und Erwartungen, Rache gegen den, dem der geliebte Gegenstand den Vorzug vor uns giebt, oder der sich um die Gunst desselben zu bewerben scheint. Jn der Einsamkeit, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="65"/><lb/> Schrift uͤber das menschliche Herz. Theil 3. Seite 128.</p> <p>»Wer die Macht der Eifersucht aus eigener Erfahrung kennt, wird gestehen, daß sie die schrecklichste unter allen Leidenschaften und diejenige Empfindung sey, welche nach der Marter der Todesangst den ersten Platz behauptet. Jch betrachte sie hier nach ihrem hoͤchsten Grade, und nach ihrem weitesten Umfange. Hier hat sie die heftigste Liebe, das heftigste Verlangen nach dem Besitz einer geliebten Person zum Grunde, von welcher wir glauben, daß sie uns nicht wieder <choice><corr>liebe</corr><sic>Liebe</sic></choice>, unsre Neigung zu ihr verschmaͤhe, und dabei eine andre Person liebe, nach deren Besitz und Genuß sie sich sehne. Dieser Gedanke stuͤrzt uns in den tiefsten Gram, und erfuͤllt uns mit der heftigsten Unruhe und Angst. Die Heftigkeit dieser Leidenschaft entstehet dadurch, daß sich mehrere Leidenschaften in ihr vereinigen und gemeinschaftlich das menschliche Herz bestuͤrmen. Hier ist das heiseste Verlangen nach dem Besitz des geliebten Gegenstandes, die heftigste Furcht, ihn zu verlieren, und in den Armen eines andern zu sehen, die Empfindung verschmaͤhter Liebe; des beleidigten Ehrgeitzes, fehlgeschlagener Bemuͤhungen und Erwartungen, Rache gegen den, dem der geliebte Gegenstand den Vorzug vor uns giebt, oder der sich um die Gunst desselben zu bewerben scheint. Jn der Einsamkeit,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0065]
Schrift uͤber das menschliche Herz. Theil 3. Seite 128.
»Wer die Macht der Eifersucht aus eigener Erfahrung kennt, wird gestehen, daß sie die schrecklichste unter allen Leidenschaften und diejenige Empfindung sey, welche nach der Marter der Todesangst den ersten Platz behauptet. Jch betrachte sie hier nach ihrem hoͤchsten Grade, und nach ihrem weitesten Umfange. Hier hat sie die heftigste Liebe, das heftigste Verlangen nach dem Besitz einer geliebten Person zum Grunde, von welcher wir glauben, daß sie uns nicht wieder liebe, unsre Neigung zu ihr verschmaͤhe, und dabei eine andre Person liebe, nach deren Besitz und Genuß sie sich sehne. Dieser Gedanke stuͤrzt uns in den tiefsten Gram, und erfuͤllt uns mit der heftigsten Unruhe und Angst. Die Heftigkeit dieser Leidenschaft entstehet dadurch, daß sich mehrere Leidenschaften in ihr vereinigen und gemeinschaftlich das menschliche Herz bestuͤrmen. Hier ist das heiseste Verlangen nach dem Besitz des geliebten Gegenstandes, die heftigste Furcht, ihn zu verlieren, und in den Armen eines andern zu sehen, die Empfindung verschmaͤhter Liebe; des beleidigten Ehrgeitzes, fehlgeschlagener Bemuͤhungen und Erwartungen, Rache gegen den, dem der geliebte Gegenstand den Vorzug vor uns giebt, oder der sich um die Gunst desselben zu bewerben scheint. Jn der Einsamkeit,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/65 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/65>, abgerufen am 16.07.2024. |