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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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gen die Treue einer geliebten Person; so hat er auf alle Menschen, die sich derselben nähern, ein wachsames Auge, in jedem sieht er seinen Verräther, einen Vermittler oder Nebenbuhler; die Eifersucht hat manche Menschen ihrer Vernunft und Sinne beraubt, und gemacht, daß sie in ihrer Rache und Wuth gegen die geliebte Person sowohl, als gegen den vermeintlichen Verführer keine Grenzen kannten, und alle Menschlichkeit verlohren. So ließ z.B. Raimund von Castel Roussillon den Wilhelm von Cabestain, den er im Verdacht eines verbotenen Umgangs mit seiner Gemahlinn hatte, erstechen, zwang darauf seine Gemahlinn, sein Herz zu essen; und Beispiele wohl behandelter Eifersucht dieser Art findet man in Gabriele de Vergy, und noch besser in Shakespear's Othello. Es giebt eine Art von Eifersucht, die immer kommt und wieder geht; hier ist der Eifersüchtige zwar überzeugt, daß er wieder geliebt wird, aber sein zur Gewohnheit gewordener Argwohn erregt öfters ein Mißtrauen gegen die Treue der geliebten Person, besonders wenn von Seiten der lezteren ein freundliches, munteres, gesprächiges Wesen, das sie gegen andere blicken läßt, hinzu kommt. Diese Eifersucht erreicht den Grad derjenigen, die sich auf eine verschmähte Liebe gründet, lange nicht, sondern hat alle Kennzeichen des Argwohns und Mißtrauens an sich. Zu dieser Classe gehöret Falkland in den Nebenbuhlern des Sheridan."


gen die Treue einer geliebten Person; so hat er auf alle Menschen, die sich derselben naͤhern, ein wachsames Auge, in jedem sieht er seinen Verraͤther, einen Vermittler oder Nebenbuhler; die Eifersucht hat manche Menschen ihrer Vernunft und Sinne beraubt, und gemacht, daß sie in ihrer Rache und Wuth gegen die geliebte Person sowohl, als gegen den vermeintlichen Verfuͤhrer keine Grenzen kannten, und alle Menschlichkeit verlohren. So ließ z.B. Raimund von Castel Roussillon den Wilhelm von Cabestain, den er im Verdacht eines verbotenen Umgangs mit seiner Gemahlinn hatte, erstechen, zwang darauf seine Gemahlinn, sein Herz zu essen; und Beispiele wohl behandelter Eifersucht dieser Art findet man in Gabriele de Vergy, und noch besser in Shakespear's Othello. Es giebt eine Art von Eifersucht, die immer kommt und wieder geht; hier ist der Eifersuͤchtige zwar uͤberzeugt, daß er wieder geliebt wird, aber sein zur Gewohnheit gewordener Argwohn erregt oͤfters ein Mißtrauen gegen die Treue der geliebten Person, besonders wenn von Seiten der lezteren ein freundliches, munteres, gespraͤchiges Wesen, das sie gegen andere blicken laͤßt, hinzu kommt. Diese Eifersucht erreicht den Grad derjenigen, die sich auf eine verschmaͤhte Liebe gruͤndet, lange nicht, sondern hat alle Kennzeichen des Argwohns und Mißtrauens an sich. Zu dieser Classe gehoͤret Falkland in den Nebenbuhlern des Sheridan.«

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[70/0070] gen die Treue einer geliebten Person; so hat er auf alle Menschen, die sich derselben naͤhern, ein wachsames Auge, in jedem sieht er seinen Verraͤther, einen Vermittler oder Nebenbuhler; die Eifersucht hat manche Menschen ihrer Vernunft und Sinne beraubt, und gemacht, daß sie in ihrer Rache und Wuth gegen die geliebte Person sowohl, als gegen den vermeintlichen Verfuͤhrer keine Grenzen kannten, und alle Menschlichkeit verlohren. So ließ z.B. Raimund von Castel Roussillon den Wilhelm von Cabestain, den er im Verdacht eines verbotenen Umgangs mit seiner Gemahlinn hatte, erstechen, zwang darauf seine Gemahlinn, sein Herz zu essen; und Beispiele wohl behandelter Eifersucht dieser Art findet man in Gabriele de Vergy, und noch besser in Shakespear's Othello. Es giebt eine Art von Eifersucht, die immer kommt und wieder geht; hier ist der Eifersuͤchtige zwar uͤberzeugt, daß er wieder geliebt wird, aber sein zur Gewohnheit gewordener Argwohn erregt oͤfters ein Mißtrauen gegen die Treue der geliebten Person, besonders wenn von Seiten der lezteren ein freundliches, munteres, gespraͤchiges Wesen, das sie gegen andere blicken laͤßt, hinzu kommt. Diese Eifersucht erreicht den Grad derjenigen, die sich auf eine verschmaͤhte Liebe gruͤndet, lange nicht, sondern hat alle Kennzeichen des Argwohns und Mißtrauens an sich. Zu dieser Classe gehoͤret Falkland in den Nebenbuhlern des Sheridan.«

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/70>, abgerufen am 04.12.2024.