Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


hervorruft, oder durchs Gedächtniß herbei führt, indem sie nehmlich ihre Denkkraft wieder in Bewegung sezt, oder besser, indem diese Kraft als Seele selbst betrachtet, sich wieder zu äußern anfängt; so kann auch dies gerade der Fall im Traume seyn, ohne daß man nöthig hat, immer eine äußere dunckel empfundene Sensation zu seinem Entstehen vorauszusetzen, oder eine ununterbrochene Reihe von würklichen Vorstellungen anzunehmen, die gleichsam Wachen und Träumen mit einander verbinden müßten. Jch sehe auch überhaupt nicht ein, warum man auf eine solche Succession unsrer Vorstellungen zur Erklärung des Traums dringen wollte, da ihr Daseyn, wenn wir auch die innere Möglichkeit einer geistigen Substanz gern ins Denken sezen würden, noch nicht erwiesen ist, und die Erfahrung mehr als die bloß hypothetische Voraussetzung des Cartesius entscheiden muß.

a) Unter allen, was mir bey Beobachtung des Traumes am merkwürdigsten geschienen hat, und wozu in diesem Magazin schon mehrmals besondere Winke gegeben worden sind, ist mir vornehmlich dies aufgefallen, -- daß die Seele, ob ihr gleich auch im Traume ihre Denkkraft beiwohnt, und sich nach den Gesetzen derselben so gut wie im Wachen richten muß, bey Bildern und Vorstellungen während des Traums gleichgültig bleibt, die sie während des Wa-


hervorruft, oder durchs Gedaͤchtniß herbei fuͤhrt, indem sie nehmlich ihre Denkkraft wieder in Bewegung sezt, oder besser, indem diese Kraft als Seele selbst betrachtet, sich wieder zu aͤußern anfaͤngt; so kann auch dies gerade der Fall im Traume seyn, ohne daß man noͤthig hat, immer eine aͤußere dunckel empfundene Sensation zu seinem Entstehen vorauszusetzen, oder eine ununterbrochene Reihe von wuͤrklichen Vorstellungen anzunehmen, die gleichsam Wachen und Traͤumen mit einander verbinden muͤßten. Jch sehe auch uͤberhaupt nicht ein, warum man auf eine solche Succession unsrer Vorstellungen zur Erklaͤrung des Traums dringen wollte, da ihr Daseyn, wenn wir auch die innere Moͤglichkeit einer geistigen Substanz gern ins Denken sezen wuͤrden, noch nicht erwiesen ist, und die Erfahrung mehr als die bloß hypothetische Voraussetzung des Cartesius entscheiden muß.

a) Unter allen, was mir bey Beobachtung des Traumes am merkwuͤrdigsten geschienen hat, und wozu in diesem Magazin schon mehrmals besondere Winke gegeben worden sind, ist mir vornehmlich dies aufgefallen, — daß die Seele, ob ihr gleich auch im Traume ihre Denkkraft beiwohnt, und sich nach den Gesetzen derselben so gut wie im Wachen richten muß, bey Bildern und Vorstellungen waͤhrend des Traums gleichguͤltig bleibt, die sie waͤhrend des Wa-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0078" n="78"/><lb/>
hervorruft, oder durchs Geda&#x0364;chtniß herbei fu&#x0364;hrt,                         indem sie nehmlich ihre Denkkraft wieder in Bewegung sezt, oder besser,                         indem diese Kraft als Seele selbst betrachtet, sich wieder zu a&#x0364;ußern                         anfa&#x0364;ngt; so kann auch dies gerade der Fall im Traume seyn, ohne daß man                         no&#x0364;thig hat, immer eine a&#x0364;ußere dunckel empfundene Sensation zu seinem                         Entstehen vorauszusetzen, oder eine ununterbrochene Reihe von wu&#x0364;rklichen                         Vorstellungen anzunehmen, die gleichsam Wachen und Tra&#x0364;umen mit einander                         verbinden mu&#x0364;ßten. Jch sehe auch u&#x0364;berhaupt nicht ein, warum man auf eine                         solche Succession unsrer Vorstellungen zur Erkla&#x0364;rung des Traums dringen                         wollte, da ihr Daseyn, wenn wir auch die innere Mo&#x0364;glichkeit einer geistigen                         Substanz gern ins Denken sezen wu&#x0364;rden, noch nicht erwiesen ist, und die                         Erfahrung mehr als die bloß hypothetische Voraussetzung des Cartesius                         entscheiden muß.</p>
            <p><hi rendition="#aq">a)</hi> Unter allen, was mir bey Beobachtung des                         Traumes am merkwu&#x0364;rdigsten geschienen hat, und wozu in diesem Magazin schon                         mehrmals besondere Winke gegeben worden sind, ist mir vornehmlich dies                         aufgefallen, &#x2014; <hi rendition="#b">daß die Seele, ob ihr gleich auch im Traume                             ihre Denkkraft beiwohnt, und sich nach den Gesetzen derselben so gut wie                             im Wachen richten muß, bey Bildern und Vorstellungen wa&#x0364;hrend des Traums                             gleichgu&#x0364;ltig bleibt, die sie wa&#x0364;hrend des Wa-<lb/></hi></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0078] hervorruft, oder durchs Gedaͤchtniß herbei fuͤhrt, indem sie nehmlich ihre Denkkraft wieder in Bewegung sezt, oder besser, indem diese Kraft als Seele selbst betrachtet, sich wieder zu aͤußern anfaͤngt; so kann auch dies gerade der Fall im Traume seyn, ohne daß man noͤthig hat, immer eine aͤußere dunckel empfundene Sensation zu seinem Entstehen vorauszusetzen, oder eine ununterbrochene Reihe von wuͤrklichen Vorstellungen anzunehmen, die gleichsam Wachen und Traͤumen mit einander verbinden muͤßten. Jch sehe auch uͤberhaupt nicht ein, warum man auf eine solche Succession unsrer Vorstellungen zur Erklaͤrung des Traums dringen wollte, da ihr Daseyn, wenn wir auch die innere Moͤglichkeit einer geistigen Substanz gern ins Denken sezen wuͤrden, noch nicht erwiesen ist, und die Erfahrung mehr als die bloß hypothetische Voraussetzung des Cartesius entscheiden muß. a) Unter allen, was mir bey Beobachtung des Traumes am merkwuͤrdigsten geschienen hat, und wozu in diesem Magazin schon mehrmals besondere Winke gegeben worden sind, ist mir vornehmlich dies aufgefallen, — daß die Seele, ob ihr gleich auch im Traume ihre Denkkraft beiwohnt, und sich nach den Gesetzen derselben so gut wie im Wachen richten muß, bey Bildern und Vorstellungen waͤhrend des Traums gleichguͤltig bleibt, die sie waͤhrend des Wa-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/78
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/78>, abgerufen am 11.12.2024.