Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

ren suchen; woher diese Eigenthümlichkeit rührt, und ob bloß der Mangel an Sprache und Gehör die Ursach davon ist.

Jhr erstaunliches Mißtrauen auf der einen Seite und ihr unerschütterliches Zutrauen gegen ihre Freunde auf der andern, ihr so sehr zur Rachgier und zum Zorn geneigtes Gemüth, und ihr so sehr zum Mitleiden und zur Sanftheit gestimmtes Herz, ihre Religiosität und Andacht, ihre auffallende fast allgemeine Abneigung gegen verheirathete Frauenzimmer bei dem heftigsten Jnstinkt der Liebe, ihre unbegränzte Furcht vor dem Tode, -- alle diese Dinge geben die wichtigsten Veranlassungen zur Beobachtung ihres moralischen Characters.

Daß diese armen Menschen übrigens bei der Erziehung gemeiniglich verschroben werden müssen, ist ganz natürlich, da man sie so oft wegen gewisser Handlungen bestraft, deren Unrecht sie gar nicht einsehen können, und da die wenigsten ihrer Lehrer Geduld und Geschick genug haben, um sich zu ihnen ganz herabzulassen. Jm erwachsenen Alter sind daher dergleichen Leute sehr schwer zu lenken, und aus ihrer ersten Erziehung läßt es sich gemeiniglich schon deutlich erklären, warum die meisten zeitlebens ein boshaftes Gemüth behalten.



ren suchen; woher diese Eigenthuͤmlichkeit ruͤhrt, und ob bloß der Mangel an Sprache und Gehoͤr die Ursach davon ist.

Jhr erstaunliches Mißtrauen auf der einen Seite und ihr unerschuͤtterliches Zutrauen gegen ihre Freunde auf der andern, ihr so sehr zur Rachgier und zum Zorn geneigtes Gemuͤth, und ihr so sehr zum Mitleiden und zur Sanftheit gestimmtes Herz, ihre Religiositaͤt und Andacht, ihre auffallende fast allgemeine Abneigung gegen verheirathete Frauenzimmer bei dem heftigsten Jnstinkt der Liebe, ihre unbegraͤnzte Furcht vor dem Tode, — alle diese Dinge geben die wichtigsten Veranlassungen zur Beobachtung ihres moralischen Characters.

Daß diese armen Menschen uͤbrigens bei der Erziehung gemeiniglich verschroben werden muͤssen, ist ganz natuͤrlich, da man sie so oft wegen gewisser Handlungen bestraft, deren Unrecht sie gar nicht einsehen koͤnnen, und da die wenigsten ihrer Lehrer Geduld und Geschick genug haben, um sich zu ihnen ganz herabzulassen. Jm erwachsenen Alter sind daher dergleichen Leute sehr schwer zu lenken, und aus ihrer ersten Erziehung laͤßt es sich gemeiniglich schon deutlich erklaͤren, warum die meisten zeitlebens ein boshaftes Gemuͤth behalten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <item> <hi rendition="#b"><pb facs="#f0016" n="14"/><lb/>
ren suchen; woher diese Eigenthu&#x0364;mlichkeit ru&#x0364;hrt, und ob bloß                             der Mangel an Sprache und Geho&#x0364;r die Ursach davon ist.</hi> </item>
          </list>
          <p>Jhr erstaunliches Mißtrauen auf der einen Seite und ihr                         unerschu&#x0364;tterliches Zutrauen gegen ihre Freunde auf der andern, ihr so sehr                         zur Rachgier und zum Zorn geneigtes Gemu&#x0364;th, und ihr so sehr zum Mitleiden                         und zur Sanftheit gestimmtes Herz, ihre Religiosita&#x0364;t und Andacht, ihre                         auffallende fast allgemeine Abneigung gegen <hi rendition="#b">verheirathete</hi> Frauenzimmer bei dem heftigsten Jnstinkt der                         Liebe, ihre unbegra&#x0364;nzte Furcht vor dem Tode, &#x2014; alle diese Dinge geben die                         wichtigsten Veranlassungen zur Beobachtung ihres moralischen Characters.</p>
          <p>Daß diese armen Menschen u&#x0364;brigens bei der Erziehung gemeiniglich verschroben                         werden mu&#x0364;ssen, ist ganz natu&#x0364;rlich, da man sie so oft wegen gewisser                         Handlungen bestraft, deren Unrecht sie gar nicht einsehen ko&#x0364;nnen, und da die                         wenigsten ihrer Lehrer Geduld und Geschick genug haben, um sich zu ihnen                         ganz herabzulassen. Jm erwachsenen Alter sind daher dergleichen Leute sehr                         schwer zu lenken, und aus ihrer ersten Erziehung la&#x0364;ßt es sich gemeiniglich                         schon deutlich erkla&#x0364;ren, warum die meisten zeitlebens ein boshaftes Gemu&#x0364;th                         behalten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0016] ren suchen; woher diese Eigenthuͤmlichkeit ruͤhrt, und ob bloß der Mangel an Sprache und Gehoͤr die Ursach davon ist. Jhr erstaunliches Mißtrauen auf der einen Seite und ihr unerschuͤtterliches Zutrauen gegen ihre Freunde auf der andern, ihr so sehr zur Rachgier und zum Zorn geneigtes Gemuͤth, und ihr so sehr zum Mitleiden und zur Sanftheit gestimmtes Herz, ihre Religiositaͤt und Andacht, ihre auffallende fast allgemeine Abneigung gegen verheirathete Frauenzimmer bei dem heftigsten Jnstinkt der Liebe, ihre unbegraͤnzte Furcht vor dem Tode, — alle diese Dinge geben die wichtigsten Veranlassungen zur Beobachtung ihres moralischen Characters. Daß diese armen Menschen uͤbrigens bei der Erziehung gemeiniglich verschroben werden muͤssen, ist ganz natuͤrlich, da man sie so oft wegen gewisser Handlungen bestraft, deren Unrecht sie gar nicht einsehen koͤnnen, und da die wenigsten ihrer Lehrer Geduld und Geschick genug haben, um sich zu ihnen ganz herabzulassen. Jm erwachsenen Alter sind daher dergleichen Leute sehr schwer zu lenken, und aus ihrer ersten Erziehung laͤßt es sich gemeiniglich schon deutlich erklaͤren, warum die meisten zeitlebens ein boshaftes Gemuͤth behalten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/16
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/16>, abgerufen am 23.11.2024.