wenn auch seine äußern Sinne zugedämmt zu seyn scheinen.
Ein Seiler (ein wirklicher Nachtwandrer bei Tage) von dreiundzwanzig Jahren, ein Mann von einem melancholischen Temperamente, hatte seit drittehalb Jahren folgende Beschwerung. Es überfiel ihn vielmals am hellen Tage ein Schlaf, -- mitten unter seiner Handthierung, es sey im Sitzen, Stehen oder Gehen. Wenn ihm der Paroxismus ankam, zog er ihm etlichemal die Stirn und Augen zusammen, bis sich diese fest zuschlossen. Und sogleich hörte der Gebrauch aller äußerlichen Sinne auf; hingegen fing er schlafend an, dasjenige zu thun, was er den Tag über bis auf den Augenblick des Paroxismus gethan hatte. (Seine Seele vegetirte also nur gleichsam die den Tag über angelegte Jdeenfolge.*) Z.B. er betete den Morgensegen ganz andächtig, that, als wenn er sich ankleidete, sich wüsche, sang ein Morgenlied in gehöriger Melodey, und alle Verse in ihrer Ordnung und ganz vernehmlich. Wiederholte dann nach und nach alle Reden mit eben den Worten, wie er sie wachend ausgesprochen hatte, und drückte alle Geberden und Minen sowohl im Gesicht, als den übrigen Theilen des Leibes ganz natürlich aus.
*) Jn welchem Fall sich die oben in der Anmerkung angeführte Meinung einiger Psychologen noch am meisten vertheidigen ließe.
wenn auch seine aͤußern Sinne zugedaͤmmt zu seyn scheinen.
Ein Seiler (ein wirklicher Nachtwandrer bei Tage) von dreiundzwanzig Jahren, ein Mann von einem melancholischen Temperamente, hatte seit drittehalb Jahren folgende Beschwerung. Es uͤberfiel ihn vielmals am hellen Tage ein Schlaf, — mitten unter seiner Handthierung, es sey im Sitzen, Stehen oder Gehen. Wenn ihm der Paroxismus ankam, zog er ihm etlichemal die Stirn und Augen zusammen, bis sich diese fest zuschlossen. Und sogleich hoͤrte der Gebrauch aller aͤußerlichen Sinne auf; hingegen fing er schlafend an, dasjenige zu thun, was er den Tag uͤber bis auf den Augenblick des Paroxismus gethan hatte. (Seine Seele vegetirte also nur gleichsam die den Tag uͤber angelegte Jdeenfolge.*) Z.B. er betete den Morgensegen ganz andaͤchtig, that, als wenn er sich ankleidete, sich wuͤsche, sang ein Morgenlied in gehoͤriger Melodey, und alle Verse in ihrer Ordnung und ganz vernehmlich. Wiederholte dann nach und nach alle Reden mit eben den Worten, wie er sie wachend ausgesprochen hatte, und druͤckte alle Geberden und Minen sowohl im Gesicht, als den uͤbrigen Theilen des Leibes ganz natuͤrlich aus.
*) Jn welchem Fall sich die oben in der Anmerkung angefuͤhrte Meinung einiger Psychologen noch am meisten vertheidigen ließe.
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wenn auch seine aͤußern Sinne zugedaͤmmt zu seyn scheinen.
Ein Seiler (ein wirklicher Nachtwandrer bei Tage) von dreiundzwanzig Jahren, ein Mann von einem melancholischen Temperamente, hatte seit drittehalb Jahren folgende Beschwerung. Es uͤberfiel ihn vielmals am hellen Tage ein Schlaf, — mitten unter seiner Handthierung, es sey im Sitzen, Stehen oder Gehen. Wenn ihm der Paroxismus ankam, zog er ihm etlichemal die Stirn und Augen zusammen, bis sich diese fest zuschlossen. Und sogleich hoͤrte der Gebrauch aller aͤußerlichen Sinne auf; hingegen fing er schlafend an, dasjenige zu thun, was er den Tag uͤber bis auf den Augenblick des Paroxismus gethan hatte. (Seine Seele vegetirte also nur gleichsam die den Tag uͤber angelegte Jdeenfolge.*) Z.B. er betete den Morgensegen ganz andaͤchtig, that, als wenn er sich ankleidete, sich wuͤsche, sang ein Morgenlied in gehoͤriger Melodey, und alle Verse in ihrer Ordnung und ganz vernehmlich. Wiederholte dann nach und nach alle Reden mit eben den Worten, wie er sie wachend ausgesprochen hatte, und druͤckte alle Geberden und Minen sowohl im Gesicht, als den uͤbrigen Theilen des Leibes ganz natuͤrlich aus.
*) Jn welchem Fall sich die oben in der Anmerkung angefuͤhrte Meinung einiger Psychologen noch am meisten vertheidigen ließe.
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/88>, abgerufen am 23.02.2025.
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