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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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und daß man kein sicheres Kennzeichen hat, diese von jenen zu unterscheiden. d) Die Entdeckung neuer Phänomene verdunkelt oder zernichtet sehr oft unsre Kenntnisse, wirft unsre Systeme um, und hüllt das in Zweifel ein, was uns noch so ausgemacht schien. -- Das Sprüchelchen des Socrates, daß wir nur das gewiß wissen, daß wir nichts wissen, führt der Encyclopädist zur Bestätigung seiner zum Theil wenig scharfsinnigen Gedanken an.

Uebrigens leitet er, physiologisch betrachtet, das Nachtwandeln von einer großen Lebhaftigkeit der Jmagination, oder einer ungewöhnlichen Spannung der Gehirnfiebern, und davon außerordentlicher Empfindlichkeit ab, und sezt die Bemerkung hinzu, daß diejenigen, welche viel, sonderlich des Nachts studiren, oder den Kopf durch andre Geschäfte erhitzen, vorzüglich dem Nachtwandeln unterworfen sind.

"Die Gesundheit der Nachtwandler, fährt er fort, scheint eigentlich keine Veränderungen zu leiden. Jhre Handlungen folgen mit der Leichtigkeit eines Gesunden auf einander, und ihr Zustand verdiente kaum den Namen einer Krankheit, wenn man nicht befürchten müßte, daß er sich verschlimmern könne, daß die Spannung der Nerven des Gehirns nicht zunehme, und hinterher in eine Erschlaffung ausarte. Die Manie, oder der Wahnsinn scheint an das Nachtwandeln zu gränzen, vielleicht


und daß man kein sicheres Kennzeichen hat, diese von jenen zu unterscheiden. d) Die Entdeckung neuer Phaͤnomene verdunkelt oder zernichtet sehr oft unsre Kenntnisse, wirft unsre Systeme um, und huͤllt das in Zweifel ein, was uns noch so ausgemacht schien. — Das Spruͤchelchen des Socrates, daß wir nur das gewiß wissen, daß wir nichts wissen, fuͤhrt der Encyclopaͤdist zur Bestaͤtigung seiner zum Theil wenig scharfsinnigen Gedanken an.

Uebrigens leitet er, physiologisch betrachtet, das Nachtwandeln von einer großen Lebhaftigkeit der Jmagination, oder einer ungewoͤhnlichen Spannung der Gehirnfiebern, und davon außerordentlicher Empfindlichkeit ab, und sezt die Bemerkung hinzu, daß diejenigen, welche viel, sonderlich des Nachts studiren, oder den Kopf durch andre Geschaͤfte erhitzen, vorzuͤglich dem Nachtwandeln unterworfen sind.

»Die Gesundheit der Nachtwandler, faͤhrt er fort, scheint eigentlich keine Veraͤnderungen zu leiden. Jhre Handlungen folgen mit der Leichtigkeit eines Gesunden auf einander, und ihr Zustand verdiente kaum den Namen einer Krankheit, wenn man nicht befuͤrchten muͤßte, daß er sich verschlimmern koͤnne, daß die Spannung der Nerven des Gehirns nicht zunehme, und hinterher in eine Erschlaffung ausarte. Die Manie, oder der Wahnsinn scheint an das Nachtwandeln zu graͤnzen, vielleicht

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/68>, abgerufen am 04.12.2024.