Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.
Flüchtigkeit ist nun freilich auch ein starker Zug in seinem Charakter, und am liebsten ists ihm, wenn er immer in Lüften seyn kann; besonders über Geschäfte, die ihm nicht angenehm sind, eilt er mit einem flüchtigen Blick hinweg, der ihn schon um manches optime auf seiner Meritenliste gebracht hat; und doch hat er bei alledem eine gewisse Beharrlichkeit, die man vielleicht von einem Charakter, wie der seinige ist, nicht erwarten sollte, denn wenn er z.B. ein Spiel spielt, das ihm gefällt, so währt seine Freude daran so lang, und er spielt es so oft, als nicht leicht ein anderer thun würde. Die Disputirsucht hat er mit seinem Bruder gemein, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht so hartnäckig ist, wie bei jenem, und seine Disputen
Fluͤchtigkeit ist nun freilich auch ein starker Zug in seinem Charakter, und am liebsten ists ihm, wenn er immer in Luͤften seyn kann; besonders uͤber Geschaͤfte, die ihm nicht angenehm sind, eilt er mit einem fluͤchtigen Blick hinweg, der ihn schon um manches optime auf seiner Meritenliste gebracht hat; und doch hat er bei alledem eine gewisse Beharrlichkeit, die man vielleicht von einem Charakter, wie der seinige ist, nicht erwarten sollte, denn wenn er z.B. ein Spiel spielt, das ihm gefaͤllt, so waͤhrt seine Freude daran so lang, und er spielt es so oft, als nicht leicht ein anderer thun wuͤrde. Die Disputirsucht hat er mit seinem Bruder gemein, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht so hartnaͤckig ist, wie bei jenem, und seine Disputen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0103" n="103"/><lb/> seinen Bruder Wasser hinunter gießen wollte, worauf er aber auffuhr, und sich wehrte, da hingegen sein aͤlterer Bruder sich unter den Tisch buͤckte. Ein anderes mal fragte ihn sein Bruder, was er unter den Thieren am liebsten seyn moͤchte, und schnell antwortete er: ein Elephant. Diese Kuͤhnheit und Entschlossenheit aͤußert sich auch in seinen Spielen, denn diese haben immer etwas kriegerisches, und nicht selten denkt er sich als einen General, der eine Armee zu Felde fuͤhren muß, und dann kommt er zu mir, und erzaͤhlt mir, was er fuͤr Schlachten geliefert habe, und wie viel auf seiner, und auf des Feindes Seite geblieben, wo dann gewoͤhnlich er den Sieg davon getragen hat.</p> <p>Fluͤchtigkeit ist nun freilich auch ein starker Zug in seinem Charakter, und am liebsten ists ihm, wenn er immer in Luͤften seyn kann; besonders uͤber Geschaͤfte, die ihm nicht angenehm sind, eilt er mit einem fluͤchtigen Blick hinweg, der ihn schon um manches <hi rendition="#aq">optime</hi> auf seiner Meritenliste gebracht hat; und doch hat er bei alledem eine gewisse Beharrlichkeit, die man vielleicht von einem Charakter, wie der seinige ist, nicht erwarten sollte, denn wenn er z.B. ein Spiel spielt, das ihm gefaͤllt, so waͤhrt seine Freude daran so lang, und er spielt es so oft, als nicht leicht ein anderer thun wuͤrde.</p> <p>Die Disputirsucht hat er mit seinem Bruder gemein, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht so hartnaͤckig ist, wie bei jenem, und seine Disputen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0103]
seinen Bruder Wasser hinunter gießen wollte, worauf er aber auffuhr, und sich wehrte, da hingegen sein aͤlterer Bruder sich unter den Tisch buͤckte. Ein anderes mal fragte ihn sein Bruder, was er unter den Thieren am liebsten seyn moͤchte, und schnell antwortete er: ein Elephant. Diese Kuͤhnheit und Entschlossenheit aͤußert sich auch in seinen Spielen, denn diese haben immer etwas kriegerisches, und nicht selten denkt er sich als einen General, der eine Armee zu Felde fuͤhren muß, und dann kommt er zu mir, und erzaͤhlt mir, was er fuͤr Schlachten geliefert habe, und wie viel auf seiner, und auf des Feindes Seite geblieben, wo dann gewoͤhnlich er den Sieg davon getragen hat.
Fluͤchtigkeit ist nun freilich auch ein starker Zug in seinem Charakter, und am liebsten ists ihm, wenn er immer in Luͤften seyn kann; besonders uͤber Geschaͤfte, die ihm nicht angenehm sind, eilt er mit einem fluͤchtigen Blick hinweg, der ihn schon um manches optime auf seiner Meritenliste gebracht hat; und doch hat er bei alledem eine gewisse Beharrlichkeit, die man vielleicht von einem Charakter, wie der seinige ist, nicht erwarten sollte, denn wenn er z.B. ein Spiel spielt, das ihm gefaͤllt, so waͤhrt seine Freude daran so lang, und er spielt es so oft, als nicht leicht ein anderer thun wuͤrde.
Die Disputirsucht hat er mit seinem Bruder gemein, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht so hartnaͤckig ist, wie bei jenem, und seine Disputen
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/103>, abgerufen am 16.02.2025. |