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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

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schichte der vorigen Woche entwerfen, so bald ich merke, daß es sich in meiner Seele aufgeklärt hat --

Und nun nicht eher als bis über acht Tage, will ich mir selbst Rechenschaft ablegen, in wie fern ich diesem Vorsatze getreu geblieben, und wie oft ich davon abgewichen bin -- auch will ich mich alsdann befragen, wie oft ich bei Tische munter und gesprächig, und wie oft ich mürrisch und mit mir selbst unzufrieden gewesen bin? wie oft ich in meinen Berufsgeschäften so arbeitete, daß ich am Ende jeder Stunde überzeugt war, meine Pflicht gethan zu haben, und wie oft ich träge war, oder zu sehr an meine eigenen Angelegenheiten dachte, als daß ich dem Geschäfte meines Berufs meine ganze Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Seele gewidmet hätte? --

Jndem ich dies schreibe, werde ich schon aus einer Verlegenheit gerissen, die ich befürchtete, das soll mich aber nicht sicher machen; denn die Zukunft hat noch tausend kleine Verdrüßlichkeiten in Vorrath, die ich vielleicht gar nicht vermuthete, und die sich dennoch ereignen werden; so will ich mich auch hüten, daß mich die Freude über irgend eine unvermuthete Erfüllung meiner Wünsche, eben so wenig, als der Verdruß über eine fehlgeschlagene Hoffnung unthätig mache: vielmehr will ich die frohesten Stunden zur Arbeit nutzen, die Lebhaftigkeit und Anstrengung des Geistes erfordert.



schichte der vorigen Woche entwerfen, so bald ich merke, daß es sich in meiner Seele aufgeklaͤrt hat —

Und nun nicht eher als bis uͤber acht Tage, will ich mir selbst Rechenschaft ablegen, in wie fern ich diesem Vorsatze getreu geblieben, und wie oft ich davon abgewichen bin — auch will ich mich alsdann befragen, wie oft ich bei Tische munter und gespraͤchig, und wie oft ich muͤrrisch und mit mir selbst unzufrieden gewesen bin? wie oft ich in meinen Berufsgeschaͤften so arbeitete, daß ich am Ende jeder Stunde uͤberzeugt war, meine Pflicht gethan zu haben, und wie oft ich traͤge war, oder zu sehr an meine eigenen Angelegenheiten dachte, als daß ich dem Geschaͤfte meines Berufs meine ganze Aufmerksamkeit und Thaͤtigkeit der Seele gewidmet haͤtte? —

Jndem ich dies schreibe, werde ich schon aus einer Verlegenheit gerissen, die ich befuͤrchtete, das soll mich aber nicht sicher machen; denn die Zukunft hat noch tausend kleine Verdruͤßlichkeiten in Vorrath, die ich vielleicht gar nicht vermuthete, und die sich dennoch ereignen werden; so will ich mich auch huͤten, daß mich die Freude uͤber irgend eine unvermuthete Erfuͤllung meiner Wuͤnsche, eben so wenig, als der Verdruß uͤber eine fehlgeschlagene Hoffnung unthaͤtig mache: vielmehr will ich die frohesten Stunden zur Arbeit nutzen, die Lebhaftigkeit und Anstrengung des Geistes erfordert.


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[30/0030] schichte der vorigen Woche entwerfen, so bald ich merke, daß es sich in meiner Seele aufgeklaͤrt hat — Und nun nicht eher als bis uͤber acht Tage, will ich mir selbst Rechenschaft ablegen, in wie fern ich diesem Vorsatze getreu geblieben, und wie oft ich davon abgewichen bin — auch will ich mich alsdann befragen, wie oft ich bei Tische munter und gespraͤchig, und wie oft ich muͤrrisch und mit mir selbst unzufrieden gewesen bin? wie oft ich in meinen Berufsgeschaͤften so arbeitete, daß ich am Ende jeder Stunde uͤberzeugt war, meine Pflicht gethan zu haben, und wie oft ich traͤge war, oder zu sehr an meine eigenen Angelegenheiten dachte, als daß ich dem Geschaͤfte meines Berufs meine ganze Aufmerksamkeit und Thaͤtigkeit der Seele gewidmet haͤtte? — Jndem ich dies schreibe, werde ich schon aus einer Verlegenheit gerissen, die ich befuͤrchtete, das soll mich aber nicht sicher machen; denn die Zukunft hat noch tausend kleine Verdruͤßlichkeiten in Vorrath, die ich vielleicht gar nicht vermuthete, und die sich dennoch ereignen werden; so will ich mich auch huͤten, daß mich die Freude uͤber irgend eine unvermuthete Erfuͤllung meiner Wuͤnsche, eben so wenig, als der Verdruß uͤber eine fehlgeschlagene Hoffnung unthaͤtig mache: vielmehr will ich die frohesten Stunden zur Arbeit nutzen, die Lebhaftigkeit und Anstrengung des Geistes erfordert.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/30>, abgerufen am 21.11.2024.