Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


zicht darauf thun, bis ich mich desselben einmal würdig gemacht habe. --

Einen ganzen schönen Nachmittag habe ich mit den Gedanken an Entwürfe verdorben, die vielleicht nie zur Reiffe kommen werden, und ob ich dieß gleich voraussehen konnte, war es mir doch nicht möglich meine Gedanken davon abzulenken.

Jch will inskünftige suchen so viel Herr über mich selbst zu seyn, daß ich alle diese Entwürfe, die so gern von meinem Herzen Platz nehmen wollen, kurz abfertige, und sie entweder, bis auf eine gelegnere Zeit, der Schreibtafel anvertraue, oder sie gänzlich zu vergessen suche.

Auch das ist Sünde, und das merke ich daran, weil es mich mit Mißvergnügen erfüllt; auch das ist Sünde, wenn man seine Gedanken unrecht anwendet

Wie viel Nützliches hätte ich gestern Nachmittag zu Hause und beim Spatzierengehen denken können, anstatt daß sich meine ganze Seele mit leeren Projekten beschäftigte, und darüber sogar den Genuß einer angenehmen Gegenwart vergaß.

Ein Brief von einem Freunde aus H... -- wie viel süsses hat das Andenken an unsre vergangnen Tage, wenn wir so ins Leben zurückschauen, uns in unserm jetzigen Zustande denken, und uns dann alle der abwechselnden Scenen, seit einer ge-


zicht darauf thun, bis ich mich desselben einmal wuͤrdig gemacht habe. —

Einen ganzen schoͤnen Nachmittag habe ich mit den Gedanken an Entwuͤrfe verdorben, die vielleicht nie zur Reiffe kommen werden, und ob ich dieß gleich voraussehen konnte, war es mir doch nicht moͤglich meine Gedanken davon abzulenken.

Jch will inskuͤnftige suchen so viel Herr uͤber mich selbst zu seyn, daß ich alle diese Entwuͤrfe, die so gern von meinem Herzen Platz nehmen wollen, kurz abfertige, und sie entweder, bis auf eine gelegnere Zeit, der Schreibtafel anvertraue, oder sie gaͤnzlich zu vergessen suche.

Auch das ist Suͤnde, und das merke ich daran, weil es mich mit Mißvergnuͤgen erfuͤllt; auch das ist Suͤnde, wenn man seine Gedanken unrecht anwendet

Wie viel Nuͤtzliches haͤtte ich gestern Nachmittag zu Hause und beim Spatzierengehen denken koͤnnen, anstatt daß sich meine ganze Seele mit leeren Projekten beschaͤftigte, und daruͤber sogar den Genuß einer angenehmen Gegenwart vergaß.

Ein Brief von einem Freunde aus H... — wie viel suͤsses hat das Andenken an unsre vergangnen Tage, wenn wir so ins Leben zuruͤckschauen, uns in unserm jetzigen Zustande denken, und uns dann alle der abwechselnden Scenen, seit einer ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0066" n="64"/><lb/>
zicht darauf thun, bis ich mich                         desselben einmal wu&#x0364;rdig gemacht habe. &#x2014; </p>
            </div>
            <div n="4">
              <opener>
                <dateline>Den 18. Ma&#x0364;rz.</dateline>
              </opener>
              <p>Einen ganzen scho&#x0364;nen Nachmittag habe ich mit den Gedanken                         an Entwu&#x0364;rfe verdorben, die vielleicht nie zur Reiffe kommen werden, und ob                         ich dieß gleich voraussehen konnte, war es mir doch nicht mo&#x0364;glich meine                         Gedanken davon abzulenken. </p>
              <p>Jch will insku&#x0364;nftige suchen so viel Herr u&#x0364;ber mich selbst zu seyn, daß ich                         alle diese Entwu&#x0364;rfe, die so gern von meinem Herzen Platz nehmen wollen, kurz                         abfertige, und sie entweder, bis auf eine gelegnere Zeit, der Schreibtafel                         anvertraue, oder sie ga&#x0364;nzlich zu vergessen suche. </p>
              <p>Auch das ist Su&#x0364;nde, und das merke ich daran, weil es mich mit Mißvergnu&#x0364;gen                         erfu&#x0364;llt; auch das ist Su&#x0364;nde, wenn man seine Gedanken unrecht anwendet </p>
              <p>Wie viel Nu&#x0364;tzliches ha&#x0364;tte ich gestern Nachmittag zu Hause und beim                         Spatzierengehen denken ko&#x0364;nnen, anstatt daß sich meine ganze Seele mit leeren                         Projekten bescha&#x0364;ftigte, und daru&#x0364;ber sogar den Genuß einer angenehmen                         Gegenwart vergaß. </p>
              <p>Ein Brief von einem Freunde aus H... &#x2014; wie viel su&#x0364;sses hat das Andenken an                         unsre vergangnen Tage, wenn wir so ins Leben zuru&#x0364;ckschauen, uns in unserm                         jetzigen Zustande denken, und uns dann alle der abwechselnden Scenen, seit                         einer ge-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0066] zicht darauf thun, bis ich mich desselben einmal wuͤrdig gemacht habe. — Den 18. Maͤrz. Einen ganzen schoͤnen Nachmittag habe ich mit den Gedanken an Entwuͤrfe verdorben, die vielleicht nie zur Reiffe kommen werden, und ob ich dieß gleich voraussehen konnte, war es mir doch nicht moͤglich meine Gedanken davon abzulenken. Jch will inskuͤnftige suchen so viel Herr uͤber mich selbst zu seyn, daß ich alle diese Entwuͤrfe, die so gern von meinem Herzen Platz nehmen wollen, kurz abfertige, und sie entweder, bis auf eine gelegnere Zeit, der Schreibtafel anvertraue, oder sie gaͤnzlich zu vergessen suche. Auch das ist Suͤnde, und das merke ich daran, weil es mich mit Mißvergnuͤgen erfuͤllt; auch das ist Suͤnde, wenn man seine Gedanken unrecht anwendet Wie viel Nuͤtzliches haͤtte ich gestern Nachmittag zu Hause und beim Spatzierengehen denken koͤnnen, anstatt daß sich meine ganze Seele mit leeren Projekten beschaͤftigte, und daruͤber sogar den Genuß einer angenehmen Gegenwart vergaß. Ein Brief von einem Freunde aus H... — wie viel suͤsses hat das Andenken an unsre vergangnen Tage, wenn wir so ins Leben zuruͤckschauen, uns in unserm jetzigen Zustande denken, und uns dann alle der abwechselnden Scenen, seit einer ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/66
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/66>, abgerufen am 09.11.2024.