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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

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Wir verlieren die Freude an uns selbst, wenn uns unsre Arbeit nicht mehr gefällt, und haben wir diese verloren, so ist es aus mit unsrer irrdischen Glückseligkeit.

Wer gibt mir die Ruhe meiner Seele wieder, die ich seit gestern verloren habe?

Diese vier Tage muß ich für verloren schätzen. Jch habe keine Freude darin genossen, und habe auch auf keine künftige Freude vorgearbeitet.

Jch habe mich fast bis zur äußersten Verzweiflung hinreissen lassen, ohne daß ich eine wirkliche Ursach dazu hatte.

Nun ist die anscheinende Ursach gehoben, und meine Ruhe ist vors erste wieder hergestellt, aber die vier verlornen Tage sind doch einmal dahin.

Jndes will ich das nun gut seyn lassen, denn was hilfts mir nun, wenn ich mich auch noch so sehr darüber kränken wollte?

Aber doch ist es immer, als ob noch ein geheimer Kummer in meiner Seele verborgen liegt, der mir mein Leben verbittern will.

Jch befürchte nehmlich, daß noch manche solche trübe Tage in der Zukunft meiner warten.

Um diesen einigermaaßen vorzubeugen, will ich bei allem, was ich thue, mehr auf die redliche Absicht, als auf den Erfolg sehen. Dies will ich mir von heute an zum Gesetz machen.



Wir verlieren die Freude an uns selbst, wenn uns unsre Arbeit nicht mehr gefaͤllt, und haben wir diese verloren, so ist es aus mit unsrer irrdischen Gluͤckseligkeit.

Wer gibt mir die Ruhe meiner Seele wieder, die ich seit gestern verloren habe?

Diese vier Tage muß ich fuͤr verloren schaͤtzen. Jch habe keine Freude darin genossen, und habe auch auf keine kuͤnftige Freude vorgearbeitet.

Jch habe mich fast bis zur aͤußersten Verzweiflung hinreissen lassen, ohne daß ich eine wirkliche Ursach dazu hatte.

Nun ist die anscheinende Ursach gehoben, und meine Ruhe ist vors erste wieder hergestellt, aber die vier verlornen Tage sind doch einmal dahin.

Jndes will ich das nun gut seyn lassen, denn was hilfts mir nun, wenn ich mich auch noch so sehr daruͤber kraͤnken wollte?

Aber doch ist es immer, als ob noch ein geheimer Kummer in meiner Seele verborgen liegt, der mir mein Leben verbittern will.

Jch befuͤrchte nehmlich, daß noch manche solche truͤbe Tage in der Zukunft meiner warten.

Um diesen einigermaaßen vorzubeugen, will ich bei allem, was ich thue, mehr auf die redliche Absicht, als auf den Erfolg sehen. Dies will ich mir von heute an zum Gesetz machen.


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[69/0071] Wir verlieren die Freude an uns selbst, wenn uns unsre Arbeit nicht mehr gefaͤllt, und haben wir diese verloren, so ist es aus mit unsrer irrdischen Gluͤckseligkeit. Wer gibt mir die Ruhe meiner Seele wieder, die ich seit gestern verloren habe? Den 27. Maͤrz Abends. Diese vier Tage muß ich fuͤr verloren schaͤtzen. Jch habe keine Freude darin genossen, und habe auch auf keine kuͤnftige Freude vorgearbeitet. Jch habe mich fast bis zur aͤußersten Verzweiflung hinreissen lassen, ohne daß ich eine wirkliche Ursach dazu hatte. Nun ist die anscheinende Ursach gehoben, und meine Ruhe ist vors erste wieder hergestellt, aber die vier verlornen Tage sind doch einmal dahin. Jndes will ich das nun gut seyn lassen, denn was hilfts mir nun, wenn ich mich auch noch so sehr daruͤber kraͤnken wollte? Aber doch ist es immer, als ob noch ein geheimer Kummer in meiner Seele verborgen liegt, der mir mein Leben verbittern will. Jch befuͤrchte nehmlich, daß noch manche solche truͤbe Tage in der Zukunft meiner warten. Um diesen einigermaaßen vorzubeugen, will ich bei allem, was ich thue, mehr auf die redliche Absicht, als auf den Erfolg sehen. Dies will ich mir von heute an zum Gesetz machen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/71>, abgerufen am 18.05.2024.