Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
Dieß Jmmerwiederkehrende in den sinnlichen Eindrücken scheint es vorzüglich zu seyn, was die Menschen im Zaum hält, und sie auf einen kleinen Fleck beschränkt. -- Man fühlt sich nach und nach selbst von der Einförmigkeit des Kreises, in welchem man sich umdrehet, unwiderstehlich angezogen, gewinnt das Alte lieb, und flieht das Neue -- es scheint eine Art von Frevel, aus dieser Umgebung hinauszutreten, die gleichsam zu einem zweiten Körper von uns geworden ist, in welchen der erstere sich gefügt hat. Reisers Wohnung auf der Kirschlache hatte selbst, so schlecht sie war, etwas Anziehendes für ihn -- es war eine Reihe kleiner Häuser, längst einem kleinen Kanale hingebaut -- es war doch keine ganz eingeengte Straße, sondern das vorüberfließende Wasser, und selbst die Kleinheit der Häuser trugen dazu bei, dieser Gegend der alten Stadt ein freieres, ländliches Ansehn zu geben. Hinter dem Hause war gleich die alte Stadtmauer, von welcher man die Aussicht nach dem Kartheuserkloster hatte. Die Mauer war oben zum Theil mit Graß bewachsen, und an verschiedenen Orten halb eingefallen, so daß man bequem hinaufsteigen konnte. Nun hatte die Aussicht über die Gärten nach dem Kartheuserkloster hin so etwas Romantisches,
Dieß Jmmerwiederkehrende in den sinnlichen Eindruͤcken scheint es vorzuͤglich zu seyn, was die Menschen im Zaum haͤlt, und sie auf einen kleinen Fleck beschraͤnkt. — Man fuͤhlt sich nach und nach selbst von der Einfoͤrmigkeit des Kreises, in welchem man sich umdrehet, unwiderstehlich angezogen, gewinnt das Alte lieb, und flieht das Neue — es scheint eine Art von Frevel, aus dieser Umgebung hinauszutreten, die gleichsam zu einem zweiten Koͤrper von uns geworden ist, in welchen der erstere sich gefuͤgt hat. Reisers Wohnung auf der Kirschlache hatte selbst, so schlecht sie war, etwas Anziehendes fuͤr ihn — es war eine Reihe kleiner Haͤuser, laͤngst einem kleinen Kanale hingebaut — es war doch keine ganz eingeengte Straße, sondern das voruͤberfließende Wasser, und selbst die Kleinheit der Haͤuser trugen dazu bei, dieser Gegend der alten Stadt ein freieres, laͤndliches Ansehn zu geben. Hinter dem Hause war gleich die alte Stadtmauer, von welcher man die Aussicht nach dem Kartheuserkloster hatte. Die Mauer war oben zum Theil mit Graß bewachsen, und an verschiedenen Orten halb eingefallen, so daß man bequem hinaufsteigen konnte. Nun hatte die Aussicht uͤber die Gaͤrten nach dem Kartheuserkloster hin so etwas Romantisches, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0094" n="92"/><lb/> kraft war durch das <hi rendition="#b">Jmmerwiederkehrende</hi> noch nicht gefesselt. — </p> <p>Dieß Jmmerwiederkehrende in den sinnlichen Eindruͤcken scheint es vorzuͤglich zu seyn, was die Menschen im Zaum haͤlt, und sie auf einen kleinen Fleck beschraͤnkt. — Man fuͤhlt sich nach und nach selbst von der Einfoͤrmigkeit des Kreises, in welchem man sich umdrehet, unwiderstehlich angezogen, gewinnt das Alte lieb, und flieht das Neue — es scheint eine Art von Frevel, aus dieser Umgebung hinauszutreten, die gleichsam zu einem zweiten Koͤrper von uns geworden ist, in welchen der erstere sich gefuͤgt hat. </p> <p>Reisers Wohnung auf der Kirschlache hatte selbst, so schlecht sie war, etwas Anziehendes fuͤr ihn — es war eine Reihe kleiner Haͤuser, laͤngst einem kleinen Kanale hingebaut — es war doch keine ganz eingeengte Straße, sondern das voruͤberfließende Wasser, und selbst die Kleinheit der Haͤuser trugen dazu bei, dieser Gegend der alten Stadt ein freieres, laͤndliches Ansehn zu geben. </p> <p>Hinter dem Hause war gleich die alte Stadtmauer, <choice><corr>von</corr><sic>vvn</sic></choice> welcher man die Aussicht nach dem Kartheuserkloster hatte. </p> <p>Die Mauer war oben zum Theil mit Graß bewachsen, und an verschiedenen Orten halb eingefallen, so daß man bequem hinaufsteigen konnte. </p> <p>Nun hatte die Aussicht uͤber die Gaͤrten nach dem Kartheuserkloster hin so etwas Romantisches,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0094]
kraft war durch das Jmmerwiederkehrende noch nicht gefesselt. —
Dieß Jmmerwiederkehrende in den sinnlichen Eindruͤcken scheint es vorzuͤglich zu seyn, was die Menschen im Zaum haͤlt, und sie auf einen kleinen Fleck beschraͤnkt. — Man fuͤhlt sich nach und nach selbst von der Einfoͤrmigkeit des Kreises, in welchem man sich umdrehet, unwiderstehlich angezogen, gewinnt das Alte lieb, und flieht das Neue — es scheint eine Art von Frevel, aus dieser Umgebung hinauszutreten, die gleichsam zu einem zweiten Koͤrper von uns geworden ist, in welchen der erstere sich gefuͤgt hat.
Reisers Wohnung auf der Kirschlache hatte selbst, so schlecht sie war, etwas Anziehendes fuͤr ihn — es war eine Reihe kleiner Haͤuser, laͤngst einem kleinen Kanale hingebaut — es war doch keine ganz eingeengte Straße, sondern das voruͤberfließende Wasser, und selbst die Kleinheit der Haͤuser trugen dazu bei, dieser Gegend der alten Stadt ein freieres, laͤndliches Ansehn zu geben.
Hinter dem Hause war gleich die alte Stadtmauer, von welcher man die Aussicht nach dem Kartheuserkloster hatte.
Die Mauer war oben zum Theil mit Graß bewachsen, und an verschiedenen Orten halb eingefallen, so daß man bequem hinaufsteigen konnte.
Nun hatte die Aussicht uͤber die Gaͤrten nach dem Kartheuserkloster hin so etwas Romantisches,
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| Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/94>, abgerufen am 24.11.2024. |
