Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


Sohn, mit dem Reiser vor seinem Abschiede noch einige romantische Spatziergänge bey H.... gemacht hatte. Nun fand Reiser eine sonderbare Art von Stolz darin, daß er doch von allen diesen nachgeahmt war, daß er zuerst den Muth gehabt hatte, einen solchen Schritt zu thun.

Dann schrieb ihm Reiser ferner in seiner überspannten Schreibart, daß der Dichter Hölty in H... gestorben sey, und schloß am Ende mit den Worten: freue dich Dichter! weine Mensch! -- Von dem Fortgange seines Liebesromans enthielt dieser Brief nur wenig.

Während daß nun die Veranstaltung zu der zweiten Komödie gemacht wurde, welche die Studenten in Erfurt aufführen wollten, fand Reiser einen neuen Freund in Erfurt, einen Studenten Namens N..., aus Hamburg gebürtig, der bei dem Doktor Froriep im Hause wohnte, welcher ihm eine Abschrift von Reisers Gedichte: das Karthäuserkloster gezeigt, und dadurch dem Verfasser auf einmal einen neuen Freund verschaft hatte.

Dies wurde nun eine Freundschaft gerade von der empfindsamen Art, wogegen Reiser eine Abhandlung zu schreiben im Begriff war.

Der junge N... hatte wirklich ein gefühlvolles Herz, er ließ sich aber auch durch den Strom hinreißen, und spielte bei jeder Gelegenheit den Empfindsamen, ohne es selbst zu wissen; denn er ei-


Sohn, mit dem Reiser vor seinem Abschiede noch einige romantische Spatziergaͤnge bey H.... gemacht hatte. Nun fand Reiser eine sonderbare Art von Stolz darin, daß er doch von allen diesen nachgeahmt war, daß er zuerst den Muth gehabt hatte, einen solchen Schritt zu thun.

Dann schrieb ihm Reiser ferner in seiner uͤberspannten Schreibart, daß der Dichter Hoͤlty in H... gestorben sey, und schloß am Ende mit den Worten: freue dich Dichter! weine Mensch! — Von dem Fortgange seines Liebesromans enthielt dieser Brief nur wenig.

Waͤhrend daß nun die Veranstaltung zu der zweiten Komoͤdie gemacht wurde, welche die Studenten in Erfurt auffuͤhren wollten, fand Reiser einen neuen Freund in Erfurt, einen Studenten Namens N..., aus Hamburg gebuͤrtig, der bei dem Doktor Froriep im Hause wohnte, welcher ihm eine Abschrift von Reisers Gedichte: das Karthaͤuserkloster gezeigt, und dadurch dem Verfasser auf einmal einen neuen Freund verschaft hatte.

Dies wurde nun eine Freundschaft gerade von der empfindsamen Art, wogegen Reiser eine Abhandlung zu schreiben im Begriff war.

Der junge N... hatte wirklich ein gefuͤhlvolles Herz, er ließ sich aber auch durch den Strom hinreißen, und spielte bei jeder Gelegenheit den Empfindsamen, ohne es selbst zu wissen; denn er ei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0020" n="20"/><lb/>
Sohn, mit dem Reiser                         vor seinem Abschiede noch einige romantische Spatzierga&#x0364;nge bey H.... gemacht                         hatte. Nun fand Reiser eine sonderbare Art von Stolz darin, daß er doch von                         allen diesen nachgeahmt war, daß er zuerst den Muth gehabt hatte, einen                         solchen Schritt zu thun. </p>
            <p>Dann schrieb ihm Reiser ferner in seiner u&#x0364;berspannten Schreibart, daß der                         Dichter <hi rendition="#b">Ho&#x0364;lty</hi> in H... gestorben sey, und schloß am                         Ende mit den Worten: freue dich Dichter! weine Mensch! &#x2014; Von dem Fortgange                         seines Liebesromans enthielt dieser Brief nur wenig. </p>
            <p>Wa&#x0364;hrend daß nun die Veranstaltung zu der zweiten Komo&#x0364;die gemacht wurde,                         welche die Studenten in Erfurt auffu&#x0364;hren wollten, fand Reiser einen neuen                         Freund in Erfurt, einen Studenten Namens N..., aus Hamburg gebu&#x0364;rtig, der bei                         dem Doktor Froriep im Hause wohnte, welcher ihm eine Abschrift von Reisers                         Gedichte: das <hi rendition="#b">Kartha&#x0364;userkloster</hi> gezeigt, und                         dadurch dem Verfasser auf einmal einen neuen Freund verschaft hatte. </p>
            <p>Dies wurde nun eine Freundschaft gerade von der empfindsamen Art, wogegen                         Reiser eine Abhandlung zu schreiben im Begriff war. </p>
            <p>Der junge N... hatte wirklich ein gefu&#x0364;hlvolles Herz, er ließ sich aber auch                         durch den Strom hinreißen, und spielte bei jeder Gelegenheit den                         Empfindsamen, ohne es selbst zu wissen; denn er ei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0020] Sohn, mit dem Reiser vor seinem Abschiede noch einige romantische Spatziergaͤnge bey H.... gemacht hatte. Nun fand Reiser eine sonderbare Art von Stolz darin, daß er doch von allen diesen nachgeahmt war, daß er zuerst den Muth gehabt hatte, einen solchen Schritt zu thun. Dann schrieb ihm Reiser ferner in seiner uͤberspannten Schreibart, daß der Dichter Hoͤlty in H... gestorben sey, und schloß am Ende mit den Worten: freue dich Dichter! weine Mensch! — Von dem Fortgange seines Liebesromans enthielt dieser Brief nur wenig. Waͤhrend daß nun die Veranstaltung zu der zweiten Komoͤdie gemacht wurde, welche die Studenten in Erfurt auffuͤhren wollten, fand Reiser einen neuen Freund in Erfurt, einen Studenten Namens N..., aus Hamburg gebuͤrtig, der bei dem Doktor Froriep im Hause wohnte, welcher ihm eine Abschrift von Reisers Gedichte: das Karthaͤuserkloster gezeigt, und dadurch dem Verfasser auf einmal einen neuen Freund verschaft hatte. Dies wurde nun eine Freundschaft gerade von der empfindsamen Art, wogegen Reiser eine Abhandlung zu schreiben im Begriff war. Der junge N... hatte wirklich ein gefuͤhlvolles Herz, er ließ sich aber auch durch den Strom hinreißen, und spielte bei jeder Gelegenheit den Empfindsamen, ohne es selbst zu wissen; denn er ei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/20
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/20>, abgerufen am 03.12.2024.