Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese lieh er sich, und das war denn seine erste sogenannte moralische Lektüre wieder. Zwar eine Lektüre, die nach seinem sonstigen System verdammlich war, worin er aber jetzt in allem Betrachte weit mehr wieder fand, als er an der vorhergehenden verlohren hatte.

Er laß jetzt diese Schriften aber nicht sowohl, um nur Trost und Erquickung in seinem Leiden daraus zu schöpfen, sondern vielmehr um sich daraus zu belehren, was er als ein rechtschaffener Mann dabei zu thun habe. Und dieses Ziels verfehlte er auch nicht.

Hierin wurde ihm der Mensch in seiner wahren Gestalt und Würde gezeigt, hieraus lernte er einsehen, daß der Mensch keinesweges ein solches Wesen sey, das Ursache habe sich selber für nichts zu achten. --

Gleich das erste Stück dieser periodischen Schrift enthielt eine allgemeine Betrachtung über den Menschen, und was derselbe vermöge, und wie die Werke des Alterthums in Künsten und Wissenschaften zeigten, daß der Mensch nicht allein selbst seiner vorzüglichen Betrachtung werth, sondern sogar über sich selbst erhaben, ja unsterblich zu nennen sey. Dies war nun auf eine solche einleuchtende und einnehmende Art geschrieben, daß N.... sehr bald einen großen Unterschied zwischen dieser und der vorhergehenden Lektüre fühlen mußte.



Diese lieh er sich, und das war denn seine erste sogenannte moralische Lektuͤre wieder. Zwar eine Lektuͤre, die nach seinem sonstigen System verdammlich war, worin er aber jetzt in allem Betrachte weit mehr wieder fand, als er an der vorhergehenden verlohren hatte.

Er laß jetzt diese Schriften aber nicht sowohl, um nur Trost und Erquickung in seinem Leiden daraus zu schoͤpfen, sondern vielmehr um sich daraus zu belehren, was er als ein rechtschaffener Mann dabei zu thun habe. Und dieses Ziels verfehlte er auch nicht.

Hierin wurde ihm der Mensch in seiner wahren Gestalt und Wuͤrde gezeigt, hieraus lernte er einsehen, daß der Mensch keinesweges ein solches Wesen sey, das Ursache habe sich selber fuͤr nichts zu achten. —

Gleich das erste Stuͤck dieser periodischen Schrift enthielt eine allgemeine Betrachtung uͤber den Menschen, und was derselbe vermoͤge, und wie die Werke des Alterthums in Kuͤnsten und Wissenschaften zeigten, daß der Mensch nicht allein selbst seiner vorzuͤglichen Betrachtung werth, sondern sogar uͤber sich selbst erhaben, ja unsterblich zu nennen sey. Dies war nun auf eine solche einleuchtende und einnehmende Art geschrieben, daß N.... sehr bald einen großen Unterschied zwischen dieser und der vorhergehenden Lektuͤre fuͤhlen mußte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0076" n="76"/><lb/>
            <p>Diese lieh er sich, und das war denn seine erste sogenannte moralische                         Lektu&#x0364;re wieder. Zwar eine Lektu&#x0364;re, die nach seinem sonstigen System                         verdammlich war, worin er aber jetzt in allem Betrachte weit mehr wieder                         fand, als er an der vorhergehenden verlohren hatte.</p>
            <p>Er laß jetzt diese Schriften aber nicht sowohl, um nur <hi rendition="#b">Trost</hi> und <hi rendition="#b">Erquickung</hi> in seinem Leiden                         daraus zu scho&#x0364;pfen, sondern vielmehr um sich daraus zu belehren, was er als                         ein rechtschaffener Mann dabei zu <hi rendition="#b">thun</hi> habe. Und                         dieses Ziels verfehlte er auch nicht. </p>
            <p>Hierin wurde ihm der Mensch in seiner wahren Gestalt und Wu&#x0364;rde gezeigt,                         hieraus lernte er einsehen, daß der Mensch keinesweges ein solches Wesen                         sey, das Ursache habe sich selber fu&#x0364;r nichts zu achten. &#x2014; </p>
            <p>Gleich das erste Stu&#x0364;ck dieser periodischen Schrift enthielt eine allgemeine                         Betrachtung u&#x0364;ber den Menschen, und was derselbe vermo&#x0364;ge, und wie die Werke                         des Alterthums in Ku&#x0364;nsten und Wissenschaften zeigten, daß der Mensch nicht                         allein selbst seiner vorzu&#x0364;glichen Betrachtung werth, sondern sogar u&#x0364;ber sich                         selbst erhaben, ja unsterblich zu nennen sey. Dies war nun auf eine solche                         einleuchtende und einnehmende Art geschrieben, daß N.... sehr bald einen                         großen Unterschied zwischen dieser und der vorhergehenden Lektu&#x0364;re fu&#x0364;hlen                         mußte.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0076] Diese lieh er sich, und das war denn seine erste sogenannte moralische Lektuͤre wieder. Zwar eine Lektuͤre, die nach seinem sonstigen System verdammlich war, worin er aber jetzt in allem Betrachte weit mehr wieder fand, als er an der vorhergehenden verlohren hatte. Er laß jetzt diese Schriften aber nicht sowohl, um nur Trost und Erquickung in seinem Leiden daraus zu schoͤpfen, sondern vielmehr um sich daraus zu belehren, was er als ein rechtschaffener Mann dabei zu thun habe. Und dieses Ziels verfehlte er auch nicht. Hierin wurde ihm der Mensch in seiner wahren Gestalt und Wuͤrde gezeigt, hieraus lernte er einsehen, daß der Mensch keinesweges ein solches Wesen sey, das Ursache habe sich selber fuͤr nichts zu achten. — Gleich das erste Stuͤck dieser periodischen Schrift enthielt eine allgemeine Betrachtung uͤber den Menschen, und was derselbe vermoͤge, und wie die Werke des Alterthums in Kuͤnsten und Wissenschaften zeigten, daß der Mensch nicht allein selbst seiner vorzuͤglichen Betrachtung werth, sondern sogar uͤber sich selbst erhaben, ja unsterblich zu nennen sey. Dies war nun auf eine solche einleuchtende und einnehmende Art geschrieben, daß N.... sehr bald einen großen Unterschied zwischen dieser und der vorhergehenden Lektuͤre fuͤhlen mußte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/76
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/76>, abgerufen am 21.11.2024.