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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

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sähe, daß ein Mensch ein Mensch bleibe, er mögte noch so gut moralisiren können, wie er wolle. Zum Beweise hievon diene, daß Herr ..... ihn kaum ein paar Minuten habe sprechen wollen, und ohne sich näher um die Umstände zu bekümmern, und wie es schiene aus Besorgniß, selbst einige Beschwerde davon zu haben, seinem Sohne geradezu noch zu Erlernung eines Handwerks gerathen habe.

Diese Erfahrung aber machte die Wirkung bei N...., daß er nun auch keinen Gefallen mehr an der so zu nennenden eigentlichen moralischen Lektüre fand, sondern einige kleine Schriften von Voltaire und Bolingbroke, welche er in einer Lesegesellschaft mit zu lesen bekam, mehreremale durchlas, und sich nun erst nicht genug wundern konnte, wie er an allen seinen vorherigen Lektüren so lange habe Gefallen finden, und etwas dadurch suchen können, wornach er strebte, und welches doch nicht zu finden war: Vollkommenheit.

Er lernte nun alles nehmen wie es war, und fand darin erst seine wahre Beruhigung.

Aus dieser Beruhigung sollte er aber auch nicht wieder gerissen werden, denn noch beim Lesen dieses Buches wurde er krank, und seine Krankheit war von der Beschaffenheit, daß er bald sahe, sie werde in wenigen Tagen seinem Leben ein Ende machen.



saͤhe, daß ein Mensch ein Mensch bleibe, er moͤgte noch so gut moralisiren koͤnnen, wie er wolle. Zum Beweise hievon diene, daß Herr ..... ihn kaum ein paar Minuten habe sprechen wollen, und ohne sich naͤher um die Umstaͤnde zu bekuͤmmern, und wie es schiene aus Besorgniß, selbst einige Beschwerde davon zu haben, seinem Sohne geradezu noch zu Erlernung eines Handwerks gerathen habe.

Diese Erfahrung aber machte die Wirkung bei N...., daß er nun auch keinen Gefallen mehr an der so zu nennenden eigentlichen moralischen Lektuͤre fand, sondern einige kleine Schriften von Voltaire und Bolingbroke, welche er in einer Lesegesellschaft mit zu lesen bekam, mehreremale durchlas, und sich nun erst nicht genug wundern konnte, wie er an allen seinen vorherigen Lektuͤren so lange habe Gefallen finden, und etwas dadurch suchen koͤnnen, wornach er strebte, und welches doch nicht zu finden war: Vollkommenheit.

Er lernte nun alles nehmen wie es war, und fand darin erst seine wahre Beruhigung.

Aus dieser Beruhigung sollte er aber auch nicht wieder gerissen werden, denn noch beim Lesen dieses Buches wurde er krank, und seine Krankheit war von der Beschaffenheit, daß er bald sahe, sie werde in wenigen Tagen seinem Leben ein Ende machen.


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[95/0095] saͤhe, daß ein Mensch ein Mensch bleibe, er moͤgte noch so gut moralisiren koͤnnen, wie er wolle. Zum Beweise hievon diene, daß Herr ..... ihn kaum ein paar Minuten habe sprechen wollen, und ohne sich naͤher um die Umstaͤnde zu bekuͤmmern, und wie es schiene aus Besorgniß, selbst einige Beschwerde davon zu haben, seinem Sohne geradezu noch zu Erlernung eines Handwerks gerathen habe. Diese Erfahrung aber machte die Wirkung bei N...., daß er nun auch keinen Gefallen mehr an der so zu nennenden eigentlichen moralischen Lektuͤre fand, sondern einige kleine Schriften von Voltaire und Bolingbroke, welche er in einer Lesegesellschaft mit zu lesen bekam, mehreremale durchlas, und sich nun erst nicht genug wundern konnte, wie er an allen seinen vorherigen Lektuͤren so lange habe Gefallen finden, und etwas dadurch suchen koͤnnen, wornach er strebte, und welches doch nicht zu finden war: Vollkommenheit. Er lernte nun alles nehmen wie es war, und fand darin erst seine wahre Beruhigung. Aus dieser Beruhigung sollte er aber auch nicht wieder gerissen werden, denn noch beim Lesen dieses Buches wurde er krank, und seine Krankheit war von der Beschaffenheit, daß er bald sahe, sie werde in wenigen Tagen seinem Leben ein Ende machen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/95>, abgerufen am 24.11.2024.