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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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samkeit, weil die Töne schon als leidenschaftliche Ausdrücke eine Anziehung haben, welche fähig ist, unsre Aufmerksamkeit von allen Gegenständen weg zu wenden, und wir uns also blos leidend zu verhalten brauchen.

Jn eben dem erklärten Sinne hatte ich es auch genommen, als ich vorhin die Meinung äusserte, daß man bei dem Zählen -- und wie ich jezt hinzusetze, auch bei dem gemeinen Rechnen, in so fern man blos nach einer erlernten Methode verfährt -- die Aufmerksamkeit ablenken muß; denn das Zählen und das gemeine Rechnen ist weder eine Operation des Verstandes noch der Vernunft.

Der vortrefliche Doctor Bloch, dieser Mann der mit dem Talent, welches in Ausübung seiner Kunst eine conditio sine qua non ausmacht, mit dem gesunden Menschenverstande so sehr begabt ist, erzählt uns in seinen Bemerkungen eine Antwort des verewigten Mendelssohn auf die Frage: was denken Sie? --

"Nichts, ich zähle."

Meiner Meinung nach war diese Antwort Mendelssohns, wie die seinige immer zu seyn pflegte, vieles mit wenigen Worten, treffend, scharfsinnig und wahr.

Aus dem was ich vorhin angeführt hatte, wird auch die Schwierigkeit begreiflich, die viele Männer von Genie finden, wenn sie den eigentlich mathematischen Kalkul bearbeiten sollen, ob sie ihn gleich


samkeit, weil die Toͤne schon als leidenschaftliche Ausdruͤcke eine Anziehung haben, welche faͤhig ist, unsre Aufmerksamkeit von allen Gegenstaͤnden weg zu wenden, und wir uns also blos leidend zu verhalten brauchen.

Jn eben dem erklaͤrten Sinne hatte ich es auch genommen, als ich vorhin die Meinung aͤusserte, daß man bei dem Zaͤhlen — und wie ich jezt hinzusetze, auch bei dem gemeinen Rechnen, in so fern man blos nach einer erlernten Methode verfaͤhrt — die Aufmerksamkeit ablenken muß; denn das Zaͤhlen und das gemeine Rechnen ist weder eine Operation des Verstandes noch der Vernunft.

Der vortrefliche Doctor Bloch, dieser Mann der mit dem Talent, welches in Ausuͤbung seiner Kunst eine conditio sine qua non ausmacht, mit dem gesunden Menschenverstande so sehr begabt ist, erzaͤhlt uns in seinen Bemerkungen eine Antwort des verewigten Mendelssohn auf die Frage: was denken Sie? —

»Nichts, ich zaͤhle.«

Meiner Meinung nach war diese Antwort Mendelssohns, wie die seinige immer zu seyn pflegte, vieles mit wenigen Worten, treffend, scharfsinnig und wahr.

Aus dem was ich vorhin angefuͤhrt hatte, wird auch die Schwierigkeit begreiflich, die viele Maͤnner von Genie finden, wenn sie den eigentlich mathematischen Kalkul bearbeiten sollen, ob sie ihn gleich

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[28/0028] samkeit, weil die Toͤne schon als leidenschaftliche Ausdruͤcke eine Anziehung haben, welche faͤhig ist, unsre Aufmerksamkeit von allen Gegenstaͤnden weg zu wenden, und wir uns also blos leidend zu verhalten brauchen. Jn eben dem erklaͤrten Sinne hatte ich es auch genommen, als ich vorhin die Meinung aͤusserte, daß man bei dem Zaͤhlen — und wie ich jezt hinzusetze, auch bei dem gemeinen Rechnen, in so fern man blos nach einer erlernten Methode verfaͤhrt — die Aufmerksamkeit ablenken muß; denn das Zaͤhlen und das gemeine Rechnen ist weder eine Operation des Verstandes noch der Vernunft. Der vortrefliche Doctor Bloch, dieser Mann der mit dem Talent, welches in Ausuͤbung seiner Kunst eine conditio sine qua non ausmacht, mit dem gesunden Menschenverstande so sehr begabt ist, erzaͤhlt uns in seinen Bemerkungen eine Antwort des verewigten Mendelssohn auf die Frage: was denken Sie? — »Nichts, ich zaͤhle.« Meiner Meinung nach war diese Antwort Mendelssohns, wie die seinige immer zu seyn pflegte, vieles mit wenigen Worten, treffend, scharfsinnig und wahr. Aus dem was ich vorhin angefuͤhrt hatte, wird auch die Schwierigkeit begreiflich, die viele Maͤnner von Genie finden, wenn sie den eigentlich mathematischen Kalkul bearbeiten sollen, ob sie ihn gleich

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/28>, abgerufen am 21.11.2024.