Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.
Woraus erhellet, daß wahre Menschenkenntniß kein Erbtheil der Weltleute seyn kann. Diese beweinen entweder die menschlichen Thorheiten mit dem Heraklit, oder belachen dieselben mit dem Demokrit, indem sie darinn so viel Unerklärbares und Ungereimtes zu finden glauben. Derjenige hingegen der sich die wahre Menschenkenntnis zu erlangen bemüht, wird die menschlichen Thorheiten, so wenig beweinen als belachen, sondern sie vielmehr aus ihren Prinzipien zu erklären suchen. Für ihn hat der Thor und schlechte Mensch eben dasselbe Jnteresse, als der Weise und Gute, weil, indem sein Zweck blos Menschenkenntniß, nicht aber irgend ein anderes Jnteresse ist, welches etwa der Zweck des Mediziners, Politikers und Moralisten seyn möchte, ihm zu diesem Behuf der Eine so gut als der Andere dienlich seyn kann. Ja der Thor und schlechte Mensch hat hierin vor dem Weisen und Guten sogar einen Vorzug, indem die Hebung der Widersprüche in dem Karakter des ersten, eine tiefere Untersuchung über den Menschen voraussetzt. Der Umfang der Seelenarzneikunde ist nicht so groß als man ihn sich gemeiniglich vorstellt. Jch will mich hierüber näher erklären.
Woraus erhellet, daß wahre Menschenkenntniß kein Erbtheil der Weltleute seyn kann. Diese beweinen entweder die menschlichen Thorheiten mit dem Heraklit, oder belachen dieselben mit dem Demokrit, indem sie darinn so viel Unerklaͤrbares und Ungereimtes zu finden glauben. Derjenige hingegen der sich die wahre Menschenkenntnis zu erlangen bemuͤht, wird die menschlichen Thorheiten, so wenig beweinen als belachen, sondern sie vielmehr aus ihren Prinzipien zu erklaͤren suchen. Fuͤr ihn hat der Thor und schlechte Mensch eben dasselbe Jnteresse, als der Weise und Gute, weil, indem sein Zweck blos Menschenkenntniß, nicht aber irgend ein anderes Jnteresse ist, welches etwa der Zweck des Mediziners, Politikers und Moralisten seyn moͤchte, ihm zu diesem Behuf der Eine so gut als der Andere dienlich seyn kann. Ja der Thor und schlechte Mensch hat hierin vor dem Weisen und Guten sogar einen Vorzug, indem die Hebung der Widerspruͤche in dem Karakter des ersten, eine tiefere Untersuchung uͤber den Menschen voraussetzt. Der Umfang der Seelenarzneikunde ist nicht so groß als man ihn sich gemeiniglich vorstellt. Jch will mich hieruͤber naͤher erklaͤren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0003" n="3"/><lb/> pothesen verwerfen kann, oder bis diese Hypothesen selbst durch etwas anders bestaͤtigt werden. </p> <p>Woraus erhellet, daß wahre <hi rendition="#b">Menschenkenntniß</hi> kein Erbtheil der Weltleute seyn kann. Diese beweinen entweder die menschlichen Thorheiten mit dem Heraklit, oder belachen dieselben mit dem Demokrit, indem sie darinn so viel Unerklaͤrbares und Ungereimtes zu finden glauben. </p> <p>Derjenige hingegen der sich die wahre Menschenkenntnis zu erlangen bemuͤht, wird die menschlichen Thorheiten, so wenig beweinen als belachen, sondern <hi rendition="#b">sie vielmehr aus ihren Prinzipien zu erklaͤren suchen.</hi> </p> <p>Fuͤr ihn hat der Thor und schlechte Mensch eben dasselbe Jnteresse, als der Weise und Gute, weil, indem sein Zweck blos Menschenkenntniß, nicht aber irgend ein anderes Jnteresse ist, welches etwa der Zweck des Mediziners, Politikers und Moralisten seyn moͤchte, ihm zu diesem Behuf der Eine so gut als der Andere dienlich seyn kann. </p> <p>Ja der Thor und schlechte Mensch hat hierin vor dem Weisen und Guten sogar einen Vorzug, indem die Hebung der Widerspruͤche in dem Karakter des ersten, eine tiefere Untersuchung uͤber den Menschen voraussetzt. </p> <p>Der <hi rendition="#b">Umfang</hi> der Seelenarzneikunde ist nicht so groß als man ihn sich gemeiniglich vorstellt. Jch will mich hieruͤber naͤher erklaͤren. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
pothesen verwerfen kann, oder bis diese Hypothesen selbst durch etwas anders bestaͤtigt werden.
Woraus erhellet, daß wahre Menschenkenntniß kein Erbtheil der Weltleute seyn kann. Diese beweinen entweder die menschlichen Thorheiten mit dem Heraklit, oder belachen dieselben mit dem Demokrit, indem sie darinn so viel Unerklaͤrbares und Ungereimtes zu finden glauben.
Derjenige hingegen der sich die wahre Menschenkenntnis zu erlangen bemuͤht, wird die menschlichen Thorheiten, so wenig beweinen als belachen, sondern sie vielmehr aus ihren Prinzipien zu erklaͤren suchen.
Fuͤr ihn hat der Thor und schlechte Mensch eben dasselbe Jnteresse, als der Weise und Gute, weil, indem sein Zweck blos Menschenkenntniß, nicht aber irgend ein anderes Jnteresse ist, welches etwa der Zweck des Mediziners, Politikers und Moralisten seyn moͤchte, ihm zu diesem Behuf der Eine so gut als der Andere dienlich seyn kann.
Ja der Thor und schlechte Mensch hat hierin vor dem Weisen und Guten sogar einen Vorzug, indem die Hebung der Widerspruͤche in dem Karakter des ersten, eine tiefere Untersuchung uͤber den Menschen voraussetzt.
Der Umfang der Seelenarzneikunde ist nicht so groß als man ihn sich gemeiniglich vorstellt. Jch will mich hieruͤber naͤher erklaͤren.
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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