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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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4. Ueber Selbsttäuschung.
Jn Bezug auf den vorhergehenden Aufsatz.

Selbsttäuschung ist eine Neigung den äußern Schein einer Vollkommenheit durch Handlungen so auszudrücken daß man selbst sie zu besitzen glaubt. Die Unauflößligkeit der Frage: wie man sich selbst täuschen wollen kann?*) beruhet, wie ich dafür halte, auf einer Verwechslung des Begriffes von Täuschen, mit dem von Betrügen. Jch werde mich daher bemühen den Unterschied dieser Begriffe anzugeben, wodurch diese Frage leicht aufgelößt werden wird.

Täuschung überhaupt heißt: die Vorstellung eines Gegenstandes für den Gegenstand selbst zu halten. "Wenn wir, sagt Sulzer, bei einem Gemälde vergessen daß es blos die todte Vorstellung einer Scene der Natur ist, und die Sache selbst zu sehen glauben; oder wenn wir eine Handlung auf der Schaubühne so natürlich vorgestellt sehn, daß wir dabei vergessen, daß was wir sehen blos Nachahmung ist, und die Schauspieler würklich für die Personen halten die sie vorstellen, so werden wir getäuscht. Es erhellet also hieraus, daß die gute Würkung der schönen Künste (in so fern sie Nachahmung der Natur sind) von der Täuschung abhängt."


*) Siehe den vorhergehenden Aufsatz über Selbsttäuschung.

4. Ueber Selbsttaͤuschung.
Jn Bezug auf den vorhergehenden Aufsatz.

Selbsttaͤuschung ist eine Neigung den aͤußern Schein einer Vollkommenheit durch Handlungen so auszudruͤcken daß man selbst sie zu besitzen glaubt. Die Unaufloͤßligkeit der Frage: wie man sich selbst taͤuschen wollen kann?*) beruhet, wie ich dafuͤr halte, auf einer Verwechslung des Begriffes von Taͤuschen, mit dem von Betruͤgen. Jch werde mich daher bemuͤhen den Unterschied dieser Begriffe anzugeben, wodurch diese Frage leicht aufgeloͤßt werden wird.

Taͤuschung uͤberhaupt heißt: die Vorstellung eines Gegenstandes fuͤr den Gegenstand selbst zu halten. »Wenn wir, sagt Sulzer, bei einem Gemaͤlde vergessen daß es blos die todte Vorstellung einer Scene der Natur ist, und die Sache selbst zu sehen glauben; oder wenn wir eine Handlung auf der Schaubuͤhne so natuͤrlich vorgestellt sehn, daß wir dabei vergessen, daß was wir sehen blos Nachahmung ist, und die Schauspieler wuͤrklich fuͤr die Personen halten die sie vorstellen, so werden wir getaͤuscht. Es erhellet also hieraus, daß die gute Wuͤrkung der schoͤnen Kuͤnste (in so fern sie Nachahmung der Natur sind) von der Taͤuschung abhaͤngt.«


*) Siehe den vorhergehenden Aufsatz uͤber Selbsttaͤuschung.
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[38/0038] 4. Ueber Selbsttaͤuschung. Jn Bezug auf den vorhergehenden Aufsatz. Selbsttaͤuschung ist eine Neigung den aͤußern Schein einer Vollkommenheit durch Handlungen so auszudruͤcken daß man selbst sie zu besitzen glaubt. Die Unaufloͤßligkeit der Frage: wie man sich selbst taͤuschen wollen kann?*) beruhet, wie ich dafuͤr halte, auf einer Verwechslung des Begriffes von Taͤuschen, mit dem von Betruͤgen. Jch werde mich daher bemuͤhen den Unterschied dieser Begriffe anzugeben, wodurch diese Frage leicht aufgeloͤßt werden wird. Taͤuschung uͤberhaupt heißt: die Vorstellung eines Gegenstandes fuͤr den Gegenstand selbst zu halten. »Wenn wir, sagt Sulzer, bei einem Gemaͤlde vergessen daß es blos die todte Vorstellung einer Scene der Natur ist, und die Sache selbst zu sehen glauben; oder wenn wir eine Handlung auf der Schaubuͤhne so natuͤrlich vorgestellt sehn, daß wir dabei vergessen, daß was wir sehen blos Nachahmung ist, und die Schauspieler wuͤrklich fuͤr die Personen halten die sie vorstellen, so werden wir getaͤuscht. Es erhellet also hieraus, daß die gute Wuͤrkung der schoͤnen Kuͤnste (in so fern sie Nachahmung der Natur sind) von der Taͤuschung abhaͤngt.« *) Siehe den vorhergehenden Aufsatz uͤber Selbsttaͤuschung.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/38>, abgerufen am 21.11.2024.