Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


an sich der Veränderung unterworfen, da aber ihre Veränderung von der besondern Organisation abhängt, so ist hier wiederum für den bloßen Seelenarzt nichts zu thun.

Es bleibt also für die Seelenarzeneikunde nichts mehr übrig als die Einbildungskraft mit ihren Abtheilungen, die nicht blos von außen als ein leidendes Vermögen, sondern auch eigenmächtig als ein thätiges Vermögen viele Veränderungen annehmen kann.

Erstlich kann die Reproduktion nach dem Gesetze der Association bei Wahrnehmung eben desselben Objekts in verschiedenen Reihen der Association, in verschiedenen Graden von Stärke und Geschwindigkeit, in verschiedenen Verhältnissen der Freiheit und Nothwendigkeit u.d.gl. gedacht werden.

Diejenige Proportion in der Wirksamkeit der Einbildungskraft wodurch nicht nur diese Wirksamkeit an sich, sondern auch die Wirksamkeit aller übrigen davon abhangenden Seelenkräfte, das Maximum, oder das in einem gegebenen Subjekte Größtmögliche erreicht wird, ist der Zustand der Gesundheit. Was aber davon abweicht, ist Krankheit.

Die Seelenkrankheiten können also, nicht bloß a posteriori, sondern auch nach einem Prinzip a priori bestimmt, und in ein System gebracht werden.

Man braucht nur die verschiedenen Wirkungsarten der Einbildungskraft aufzuzählen, und sie in ver-


an sich der Veraͤnderung unterworfen, da aber ihre Veraͤnderung von der besondern Organisation abhaͤngt, so ist hier wiederum fuͤr den bloßen Seelenarzt nichts zu thun.

Es bleibt also fuͤr die Seelenarzeneikunde nichts mehr uͤbrig als die Einbildungskraft mit ihren Abtheilungen, die nicht blos von außen als ein leidendes Vermoͤgen, sondern auch eigenmaͤchtig als ein thaͤtiges Vermoͤgen viele Veraͤnderungen annehmen kann.

Erstlich kann die Reproduktion nach dem Gesetze der Association bei Wahrnehmung eben desselben Objekts in verschiedenen Reihen der Association, in verschiedenen Graden von Staͤrke und Geschwindigkeit, in verschiedenen Verhaͤltnissen der Freiheit und Nothwendigkeit u.d.gl. gedacht werden.

Diejenige Proportion in der Wirksamkeit der Einbildungskraft wodurch nicht nur diese Wirksamkeit an sich, sondern auch die Wirksamkeit aller uͤbrigen davon abhangenden Seelenkraͤfte, das Maximum, oder das in einem gegebenen Subjekte Groͤßtmoͤgliche erreicht wird, ist der Zustand der Gesundheit. Was aber davon abweicht, ist Krankheit.

Die Seelenkrankheiten koͤnnen also, nicht bloß a posteriori, sondern auch nach einem Prinzip a priori bestimmt, und in ein System gebracht werden.

Man braucht nur die verschiedenen Wirkungsarten der Einbildungskraft aufzuzaͤhlen, und sie in ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0006" n="6"/><lb/>
an sich der                         Vera&#x0364;nderung unterworfen, da aber ihre Vera&#x0364;nderung von der besondern                         Organisation abha&#x0364;ngt, so ist hier wiederum fu&#x0364;r den bloßen Seelenarzt nichts                         zu thun. </p>
            <p>Es bleibt also fu&#x0364;r die Seelenarzeneikunde nichts mehr u&#x0364;brig als die                         Einbildungskraft mit ihren Abtheilungen, die nicht blos von außen als ein                         leidendes Vermo&#x0364;gen, sondern auch eigenma&#x0364;chtig als ein tha&#x0364;tiges Vermo&#x0364;gen                         viele Vera&#x0364;nderungen annehmen kann. </p>
            <p>Erstlich kann die Reproduktion nach dem Gesetze der Association bei                         Wahrnehmung eben desselben Objekts in verschiedenen Reihen der Association,                         in verschiedenen Graden von Sta&#x0364;rke und Geschwindigkeit, in verschiedenen                         Verha&#x0364;ltnissen der Freiheit und Nothwendigkeit u.d.gl. gedacht werden. </p>
            <p>Diejenige Proportion in der Wirksamkeit der Einbildungskraft wodurch nicht                         nur diese Wirksamkeit an sich, sondern auch die Wirksamkeit aller u&#x0364;brigen                         davon abhangenden Seelenkra&#x0364;fte, das Maximum, oder das in einem gegebenen                         Subjekte Gro&#x0364;ßtmo&#x0364;gliche erreicht wird, ist der Zustand der Gesundheit. Was                         aber davon abweicht, ist Krankheit. </p>
            <p>Die Seelenkrankheiten ko&#x0364;nnen also, nicht bloß <hi rendition="#aq">a                             posteriori,</hi> sondern auch nach einem Prinzip <hi rendition="#aq">a priori</hi> bestimmt, und in ein System gebracht werden. </p>
            <p>Man braucht nur die verschiedenen Wirkungsarten der Einbildungskraft                         aufzuza&#x0364;hlen, und sie in ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0006] an sich der Veraͤnderung unterworfen, da aber ihre Veraͤnderung von der besondern Organisation abhaͤngt, so ist hier wiederum fuͤr den bloßen Seelenarzt nichts zu thun. Es bleibt also fuͤr die Seelenarzeneikunde nichts mehr uͤbrig als die Einbildungskraft mit ihren Abtheilungen, die nicht blos von außen als ein leidendes Vermoͤgen, sondern auch eigenmaͤchtig als ein thaͤtiges Vermoͤgen viele Veraͤnderungen annehmen kann. Erstlich kann die Reproduktion nach dem Gesetze der Association bei Wahrnehmung eben desselben Objekts in verschiedenen Reihen der Association, in verschiedenen Graden von Staͤrke und Geschwindigkeit, in verschiedenen Verhaͤltnissen der Freiheit und Nothwendigkeit u.d.gl. gedacht werden. Diejenige Proportion in der Wirksamkeit der Einbildungskraft wodurch nicht nur diese Wirksamkeit an sich, sondern auch die Wirksamkeit aller uͤbrigen davon abhangenden Seelenkraͤfte, das Maximum, oder das in einem gegebenen Subjekte Groͤßtmoͤgliche erreicht wird, ist der Zustand der Gesundheit. Was aber davon abweicht, ist Krankheit. Die Seelenkrankheiten koͤnnen also, nicht bloß a posteriori, sondern auch nach einem Prinzip a priori bestimmt, und in ein System gebracht werden. Man braucht nur die verschiedenen Wirkungsarten der Einbildungskraft aufzuzaͤhlen, und sie in ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/6
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/6>, abgerufen am 21.11.2024.