Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


wie die ächte nehmen würde, wenn man für jene, wie für diese, Waaren erhielte.

Eben so gehet es mit der Sprache, bei Leuten die noch auf der ersten Stufe der Verrücktheit stehen, d.h. bei welchen der Wahnsinn von aussen her, nicht von innen, kommt. Spalding glaubte seinen Candidaten in diesem Falle, so wie auch er selbst, und M. Hennert darin waren. Jn diesem Zustande kann die Seele nicht mehr die Zeichen, aber wohl noch die Begriffe beurtheilen. Jhre eigenen Gedanken betrachtet sie aus dem richtigen Gesichtspunkte; entscheidet, ob sie zusammenhängend sind u.s.w., aber diese Beurtheilungskraft mangelt ihr in Absicht der Zeichen, deren sie sich zur Ausdrückung ihrer Gedanken bedienet, sowohl im Sprechen als im Schreiben.

Hierin sind wiederum Unterabtheilungen. Die Einen glauben gut zu reden und zu schreiben, indeß sie nur Galimathias vorbringen; die Andern -- wahnwitzig in geringerem Grade -- vermuthen oder fühlen zuweilen, daß sie Galimathias schreiben oder sprechen; aber sie haben zu wenig Gedächtniß, sie besinnen sich nicht schnell genug auf passende Wörter, auf die richtigen willkürlichen Zeichen.

Jm Kurzen: das Delirium, und der Wahnsinn, der nur ein verlängertes, zur Gewohnheit gewordenes und bestimmtes Delirium ist, sind nichts als der Zustand eines verlängerten, zur Gewohnheit gewordenen und bestimmten Traums; d.h. der


wie die aͤchte nehmen wuͤrde, wenn man fuͤr jene, wie fuͤr diese, Waaren erhielte.

Eben so gehet es mit der Sprache, bei Leuten die noch auf der ersten Stufe der Verruͤcktheit stehen, d.h. bei welchen der Wahnsinn von aussen her, nicht von innen, kommt. Spalding glaubte seinen Candidaten in diesem Falle, so wie auch er selbst, und M. Hennert darin waren. Jn diesem Zustande kann die Seele nicht mehr die Zeichen, aber wohl noch die Begriffe beurtheilen. Jhre eigenen Gedanken betrachtet sie aus dem richtigen Gesichtspunkte; entscheidet, ob sie zusammenhaͤngend sind u.s.w., aber diese Beurtheilungskraft mangelt ihr in Absicht der Zeichen, deren sie sich zur Ausdruͤckung ihrer Gedanken bedienet, sowohl im Sprechen als im Schreiben.

Hierin sind wiederum Unterabtheilungen. Die Einen glauben gut zu reden und zu schreiben, indeß sie nur Galimathias vorbringen; die Andern — wahnwitzig in geringerem Grade — vermuthen oder fuͤhlen zuweilen, daß sie Galimathias schreiben oder sprechen; aber sie haben zu wenig Gedaͤchtniß, sie besinnen sich nicht schnell genug auf passende Woͤrter, auf die richtigen willkuͤrlichen Zeichen.

Jm Kurzen: das Delirium, und der Wahnsinn, der nur ein verlaͤngertes, zur Gewohnheit gewordenes und bestimmtes Delirium ist, sind nichts als der Zustand eines verlaͤngerten, zur Gewohnheit gewordenen und bestimmten Traums; d.h. der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0082" n="82"/><lb/>
wie die a&#x0364;chte nehmen                         wu&#x0364;rde, wenn man fu&#x0364;r jene, wie fu&#x0364;r diese, Waaren erhielte. </p>
            <p>Eben so gehet es mit der Sprache, bei Leuten die noch auf der ersten Stufe                         der Verru&#x0364;cktheit stehen, d.h. bei welchen der Wahnsinn von aussen her, nicht                         von innen, kommt. <hi rendition="#b">Spalding</hi> glaubte seinen                         Candidaten in diesem Falle, so wie auch er selbst, und M. <hi rendition="#b">Hennert</hi> darin waren. Jn diesem Zustande kann die Seele nicht                         mehr die <hi rendition="#b">Zeichen,</hi> aber wohl noch die Begriffe                         beurtheilen. Jhre eigenen Gedanken betrachtet sie aus dem richtigen                         Gesichtspunkte; entscheidet, ob sie zusammenha&#x0364;ngend sind u.s.w., aber diese                         Beurtheilungskraft mangelt ihr in Absicht der Zeichen, deren sie sich zur                         Ausdru&#x0364;ckung ihrer Gedanken bedienet, sowohl im Sprechen als im Schreiben. </p>
            <p>Hierin sind wiederum Unterabtheilungen. Die Einen glauben gut zu reden und zu                         schreiben, indeß sie nur Galimathias vorbringen; die Andern &#x2014; wahnwitzig in                         geringerem Grade &#x2014; vermuthen oder fu&#x0364;hlen zuweilen, daß sie Galimathias                         schreiben oder sprechen; aber sie haben zu wenig Geda&#x0364;chtniß, sie besinnen                         sich nicht schnell genug auf passende Wo&#x0364;rter, auf die richtigen                         willku&#x0364;rlichen Zeichen. </p>
            <p>Jm Kurzen: das <hi rendition="#b">Delirium,</hi> und der <hi rendition="#b">Wahnsinn,</hi> der nur ein verla&#x0364;ngertes, zur Gewohnheit gewordenes                         und bestimmtes Delirium ist, sind nichts als der Zustand eines verla&#x0364;ngerten,                         zur Gewohnheit gewordenen und bestimmten <hi rendition="#b">Traums;</hi> d.h. der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0082] wie die aͤchte nehmen wuͤrde, wenn man fuͤr jene, wie fuͤr diese, Waaren erhielte. Eben so gehet es mit der Sprache, bei Leuten die noch auf der ersten Stufe der Verruͤcktheit stehen, d.h. bei welchen der Wahnsinn von aussen her, nicht von innen, kommt. Spalding glaubte seinen Candidaten in diesem Falle, so wie auch er selbst, und M. Hennert darin waren. Jn diesem Zustande kann die Seele nicht mehr die Zeichen, aber wohl noch die Begriffe beurtheilen. Jhre eigenen Gedanken betrachtet sie aus dem richtigen Gesichtspunkte; entscheidet, ob sie zusammenhaͤngend sind u.s.w., aber diese Beurtheilungskraft mangelt ihr in Absicht der Zeichen, deren sie sich zur Ausdruͤckung ihrer Gedanken bedienet, sowohl im Sprechen als im Schreiben. Hierin sind wiederum Unterabtheilungen. Die Einen glauben gut zu reden und zu schreiben, indeß sie nur Galimathias vorbringen; die Andern — wahnwitzig in geringerem Grade — vermuthen oder fuͤhlen zuweilen, daß sie Galimathias schreiben oder sprechen; aber sie haben zu wenig Gedaͤchtniß, sie besinnen sich nicht schnell genug auf passende Woͤrter, auf die richtigen willkuͤrlichen Zeichen. Jm Kurzen: das Delirium, und der Wahnsinn, der nur ein verlaͤngertes, zur Gewohnheit gewordenes und bestimmtes Delirium ist, sind nichts als der Zustand eines verlaͤngerten, zur Gewohnheit gewordenen und bestimmten Traums; d.h. der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/82
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/82>, abgerufen am 23.11.2024.